von Katrin Richter
Man hört es im Café, auf der Straße oder einfach im Vorbeigehen – Hebräisch. Denn rund 2.857 Israelis leben nach offiziellen Angaben aus dem statistischen Jahrbuch 2008 zufolge in Berlin. Sicherlich gibt es noch einige mehr, zum Beispiel Studenten, Künstler, Diplomaten, die sich nur vorübergehend in der Stadt aufhalten. Aber egal wie viele, sie alle hatten am vergangenen Dienstag einen Grund zum Feiern: den 61. Unabhängigkeitstag des jüdischen Staates. In Israel wird der Jom Haazmaut mit offiziellen Festakten, Straßenfesten und familiären Grillpartys begangen. Fröhlich, bunt und draußen.
Überwiegend drinnen wird hingegen in Berlin gefeiert. Zum Beispiel Mittwochabend im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße. Hier erleben die Besucher, dass 61 Jahre schneller vergehen, als man denkt. Bei der Jom-Haazmaut-Veranstaltung im Großen Saal dauern sie gerade mal 30 Minuten. Und das bringt junge Menschen auch ganz schön außer Atem. Denn die Tänzerinnen und Tänzer, die ge-
rade die Anfangsjahre Israels dargestellt haben, müssen sich beeilen, um die nächs-te Szene vorzubereiten und rennen mit vollem Tempo durch den Saal. Soeben noch Arbeiter auf dem Feld, stellen sie kurz darauf die Länder vor, aus denen Menschen nach Israel eingewandert sind. Zum Beispiel Griechenland, Deutschland und die ehemalige Sowjetunion. Einer der Tänzer trägt die Fahne und danach folgt ein fast landestypischer Tanz. »Rosenthal & friends« sorgen gemeinsam mit dem Ju-
gendzentrum »Olam« unter Leitung von Xenia Fuchs für das Bühnenprogramm. Das Publikum ist begeistert, viele klatschen mit. Die meisten Besucher der Feier sind russischsprachige Zuwanderer. So wie Michal, die zwar nicht aus Berlin kommt, aber gerade zu Besuch in der Stadt ist. »Ganz zufällig habe ich auf der Homepage der Jüdischen Gemeinde gelesen, dass es hier eine Feier gibt und ich war neugierig.« Der 35-jährigen Kölnerin gefällt das Programm ganz gut. »Das ist zwar nicht so wie der Jom Haazmaut in Israel, aber auch schön.« Sie findet es wichtig, diesen Tag gemeinsam zu feiern. Das sei mal was anderes, sagt ein Gemeindemitglied und freut sich, neben dem Programm, auch schon auf das Büfett, denn »zum Jom Haazmaut gehört gutes Essen genauso wie das Fröhlichsein«.
Fröhlich ist auch Israels Botschafter Yoram Ben-Zeev. Obwohl, so ganz kann er sich nicht freuen, sagt er. Denn den Tag der Unabhängigkeit verbindet er auch im-
mer mit dem Jom Haschoa und Jom Hasikaron. Dass diese Tage der Freude und des Gedenkens so nah beieinanderliegen, das drücke genau sein Gefühl aus. Tiefe Verbundenheit mit dem jüdischen Staat bringt die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind zum Ausdruck: »Die Jüdische Ge-
meinde steht fest an der Seite Israels.«
Seit viereinhalb Jahren lebt David in Israel. Momentan ist der gebürtige Züricher für ein Praktikum in Berlin und will nur mal gucken, wie die Gemeinde so fei-
ert. »Das ist fast so ähnlich wie in der Schweiz«, sagt der 27-jährige Student. Dort würde man zusätzlich zu den einzelnen Darbietungen auch noch Prominente einladen. Fast prominent wird es im Saal, als ein Louis-Armstrong-Interpret auftritt und »What a wonderful world« singt. Neben der Hatikwa ein Lied, das fast alle mitsummen.
Etwas lauter wird es dann am Abend im Bohannen Club in Mitte. Zwei israelische DJs, die extra aus Tel Aviv eingeflogen wurden, legen auf, und es dauert nicht lange, bis die Tanzfläche in dem kleinen Club voll ist. »Hey, ma nischma?« ruft ein Partygast und winkt einer Gruppe Mädchen zu, die gerade die Treppe hinuntersteigt. Er zeigt in Richtung Bar und ruft ihnen etwas zu, doch es ist viel zu laut, um sich zu unterhalten. Gerade richtig, findet Jana. Der 28-jährigen Studentin gefällt die Stimmung im Club. »Alle sind ausgelassen und fröhlich. Passt doch super zum Tag.«
Viel zu früh, um so richtig loszulegen ist es für Eyal. Ihm fehlen außerdem die Plastikhämmer und die Schaumspraydosen, mit denen man sich in ganz Israel ein-
deckt, um diesen Tag ordentlich zu feiern. Seine Stimmung kann aber nur besser werden, versichert Eyal, denn sein großer Traum, einmal in Berlin zu leben, ist ja schon in Erfüllung gegangen.
Für Shira, die in Berlin ist, um Deutsch zu lernen, hat der Jom Haazmaut in der Hauptstadt allerdings auch einen nachdenklichen Aspekt. Ihn gerade hier zu fei-
ern, findet sie zwar großartig, aber auch schwierig. »Der Tag ist in seiner Gesamtheit sehr komplex – ich verbinde damit sowohl Fröhliches als auch Nachdenkliches.« Weniger problematisch sieht das Sasha. Für ihn ist es der erste israelische Feiertag überhaupt. »Ich habe mich deswegen schon den ganzen Tag darauf gefreut, abends hier zu sein.« Allerdings mag bei dem Studenten nicht so richtig Stimmung aufkommen. »Es fehlt irgendeine Ansage und wo sind die Fahnen?« Die haben sich unterdessen die meisten auf der kleinen Tanzfläche ins Haar gesteckt. Je später die Stunde, desto ausgelassener die Gäste. Kurz vor Mitternacht ist das DJ-Pult dicht umstellt. »Spiel mal das Lied« ruft eine Besucherin den DJs zu. »Das erinnert mich so an zu Hause.« Denn Lily kommt aus Haifa und ist mit Freunden hier, um zu sehen, ob Berlin wirklich »so cool« ist, wie sie gehört hat. Feiern, so findet die 25-Jährige, lässt es sich schon mal ganz gut. »Zwar nicht so wie daheim, aber das kann ja nur noch besser werden.« Schon ist sie wieder in der Partymasse verschwunden und tanzt zu ihrem Lied.
Damit ist der Jom Haazmaut noch lange nicht vorbei. Zwar wird vielleicht nicht mehr so viel getanzt. Aber gefeiert. Die israelische Botschaft gibt aus Anlass des Unabhängigkeitstages Ende dieses Monats einen großen Empfang. Und etwas weniger offiziell wird es am kommenden Sonntag zugehen, wenn sich eine Gruppe junger Israelis in einem Park im Stadtzen-
trum zum »Mangal« trifft. Eine Grillparty – fast wie zu Hause.