von Frank Keil-Behrens
Er klopft an Türen, bittet um ein Glas Wasser, fragt, ob er übernachten und Jom Haazmaut, den israelischen Unabhängigkeitstag, mitfeiern kann. Anan Zuckerman, ein Videokünstler aus Jerusalem, ist unterwegs in einer kleinen Siedlung in Samaria, wie man hier den nördlichen Teil der Westbank nennt. 14 jüdische Familien haben sich im Grenzgebiet zu Jordanien festgesetzt, um auf ihre Weise Israel zu sichern. Zuckermann, der Städter, der Intellektuelle, wird nicht mit offenen Armen empfangen. Zwar bekommt er sein Glas Wasser, doch niemand möchte ihn zu Gast haben. Auch versichert man ihm, dass es mit dem Fotografieren und Filmen sicherlich eher schwierig werden wird. Zuckermann muss einiges aufbieten, um das ihm entgegenbrandende Misstrauen zumindest abzumildern.
Nerit Sharitt schickt einen Videobrief an eine Schweizer Freundin: Bilder von Vögeln, die auf Telefondrähten im Wind schwanken; Menschen an einer Haltestelle, die an ihren frisch angezündeten Zigaretten behutsam die Glut abstreifen, als der Bus kommt. Die Einstellungen erzählen von einer schmerzlich-poetischen Suche nach einem ungefährdeten Alltag. Dazu hört man kurze persönliche Auskünfte, über die Angst, mit dem Bus zu fahren, und wie nach ein paar Minuten zuweilen diese Angst vergeht, um bald wiederzukehren.
Anxious Escapism (»Angstvoller Flucht-instinkt«) und Winter at Last (»Endlich Winter«) heißen diese zwei von mittlerweile 1.200 Videoarbeiten israelischer, aber auch palästinensischer und amerikanischer Gegenwartskünstler, die das »Israeli Center of Digital Art« in Holon in den vergangenen fünf Jahren gesammelt hat. Eine kleine Auswahl aus diesem Archiv ist jetzt auf eine dreijährige Welttournee geschickt worden. Die erste Station ist Hamburg. Dort sind die Arbeiten bis zum 6. Mai im Kunstverein zu sehen, der schon im vergangenen Jahr mit einer viel beachteten Werkschau der Videokünstlerin Yael Bartana sein Interesse an israelischer Gegenwartskunst eindrücklich bekundet hatte.
Die Hamburger Präsentation des israelischen Archivs entspricht dessen offenem Charakter: Der Besucher kann sich an einem Terminal über den Bestand und die thematische Ausrichtung der einzelnen Arbeiten informieren, um anschließend nach seinen Interessen und Fragestellungen sein eigenes Videoprogramm zusammenzustellen.
Nicht minder interaktiv geht es auch im zweiten Teil der Ausstellung zu, die sich mit einem weiteren Schwerpunkt des »Israeli Center of Digital Art« beschäftigt: Forbidden Games, Computerspiele, die während und nach dem Libanonkrieg zumeist in den palästinensischen Gebieten entwickelt wurden. Der Besucher kann die mehrheitlich gewalttätig ausgerichteten Strategiespiele selbst erprobten. Manches, meist Erschreckendes, von dem man vielleicht einmal gehört oder gelesen hat, taucht plötzlich per Mausklick auf dem Monitor auf: Das islamistische Videospiel The Night Bush Was Captured etwa, eine ebenso schlichte wie logische Adaption des amerikanischen Ballerspiels Hunt for Saddam. Und ein Beispiel dafür, wie schnell und einfach plumpe Propaganda-botschaften in ihr ideologisches Gegenteil verkehrt werden können.
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