von Alice Lanzke
Der Saal in der Villa Elisabeth ist festlich geschmückt: Tiefrote Decken liegen auf den runden Tischen, um die Stühle mit dunkelblauen Hussen gruppiert sind. Weingläser funkeln im weichen Licht, an den Wänden hängen Trauben von weißen und roten Luftballons, dazwischen goldene Stoffbahnen. Auf der Bühne steht eine fünfköpfige Band, die gespannt auf ihren Einsatz wartet, hinter ihnen verraten ein großes Bild und ein Spruchband den An-
lass für die aufwendige Deko: Unter dem Porträt eines kleinen Jungen ist zu lesen »Bar Mitzwa«.
Plötzlich ertönt eine laute Stimme »Ru-
he jetzt!«, das Geräusch einer Klappe und ein »Und bitte!« – mit einem Mal schallt laute Musik durch den Saal, die Bar-Mizwa-Gäste, die eben noch in kleinen Grüppchen zwischen den Tischen standen, strömen auf die Tanzfläche, bilden zwei Kreise und drehen sich im Takt der fröhlichen Klänge. So schnell, wie der Auflauf begonnen hat, ist er auch wieder vorbei: Die Mu-
sik verstummt abrupt, wieder die Stimme: »Sehr schön, das drehen wir gleich noch mal.« Das festliche Ambiente ist eine Ku-
lisse, die Familienfeier eine Szene aus dem Film »Massel«.
In der Komödie geht es um die Steuerberaterin Jil, eine Berliner Jüdin, die sich in den Nichtjuden Marc verliebt. Eigentlich kein Problem – wäre da nicht ihre Fa-
milie, die alles andere als begeistert davon wäre, dass Jil ihr Herz an einen »Goj« verloren hat. Also lügt Jil der Sippe vor, Marc sei Jude – doch der Schwindel fliegt auf. »Die Geschichte war nicht nur meine Idee, ein Teil meines Lebens bildete die Basis dafür«, erzählt Produzentin Alice Brauner, Tochter der Produzentenlegende Artur Brauner. »Was ich natürlich nicht erlebt habe, ist, dass jemand als Jude verkauft wurde, der keiner ist«, lacht Brauner. Das sei der Komödie geschuldet.
Der Film- und Theaterschauspieler Mi-chael Mendl nutzt die Drehpause, die Kippa noch auf dem Kopf, für eine Zigarette im Hof. Er spielt Benno Grüngras, den Vater von Jil. Bei der Frage nach der Vorbereitung für seine Rolle winkt er ab: »Diese Frage können wir eigentlich nie beantworten. Es gibt einfach ein Handwerkszeug, da ist man Schauspieler.« Inmitten all des Gewusels aus Filmcrew, Komparsen und Darstellern wirkt Mendl wie ein Ruhepol. Er findet es gut, dass die Zuschauer heutiges jüdisches Leben ganz entspannt betrachten können: »Ich kann nur hoffen, dass so eine Leichtigkeit zur allgemeinen Verständigung und zu mehr Verständnis führt.«
Regisseur Dirk Regel hat mit jüdischen Filmstoffen bislang keine Erfahrung, doch er hat sich gut vorbereitet: Vor sechs Wo-
chen wurde er zu einer Bar Mizwa eingeladen und hat die Feier »mit offenen Augen und Ohren verfolgt«, wie er sagt.
Der Dreh geht weiter. Produzentin Alice Brauner sitzt am Rand des Sets, von wo sie das Geschehen mit konzentriertem Blick beobachtet. Unter den mittlerweile wieder tanzenden Darstellern sind viele ihrer Fa-
milienmitglieder. Ruven, der Junge, dessen Bar Mizwa hier gefeiert wird, wird ab-
wechselnd von einem ihrer beiden Zwillingssöhne Ben und David Orthen gespielt. »Wir sind eine sehr lebhafte Familie und stehen für jüdische Lebensfreude und jüdischen Humor«, sagt Brauner dazu. »Da war es naheliegend, dass die alle mitmachen.«
Alice Brauner produziert »Massel« im Auftrag der ARD-Degeto, die erste Produktion, für die sie ganz alleine verantwortlich ist. Druck verspürt sie dennoch nicht, auch die großen Fußstapfen ihres Vaters schüchtern sie nicht ein: »Ich bin sehr glücklich, dass ich diese Geschichte realisieren konnte. Mein Vater hat als Holocaustüberlebender viele Filme zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gemacht – ich wollte raus aus der Vergangenheit.« Besonders stolz ist Brauner auf die Besetzung, zu der neben Michael Mendl auch Schauspieler wie Natalia Avelon, Johannes Zirner, Marianne Sägebrecht und Gedeon Burkhard gehören. Und auch die Komparsenliste ist – unter anderem mit Alt-Playboy Rolf Eden und Focus-Chef Helmut Markwort – prominent be-
setzt. »Wir haben nicht drei bekannte Na-
men, sondern zahlreiche brillante Schauspieler«, kommentiert Brauner den Cast.
Bei so einer langen Liste ist es kein Wun-der, dass das Gruppenfoto, zu dem sich die Besetzung mittlerweile aufgestellt hat, einige Zeit in Anspruch nimmt. Die wenigsten Darsteller, die die jüdische Familie spielen, sind auch im wirklichen Leben Juden. »Das ist in Deutschland eine Notwendigkeit, weil es nun mal leider nicht so viele jüdische Schauspieler gibt«, sagt Drehbuchautor Da-
niel Wolf dazu. Er ist mit seiner Familie aus München angereist und sieht nun dabei zu, wie die Szenen, die er auf Papier gebracht hat, vor der Kamera Gestalt annehmen. An-
ders als Produzentin Brauner, mit der er die Geschichte in stundenlangen Telefonaten besprochen hat, sieht er einen Trend zur jüdischen Komödie: »In Amerika ist ›jewish comedy‹ seit Jahren gang und gäbe, und diese Entwicklung fasst nun auch in Deutschland langsam Fuß.« Dieser neue Film wird sicherlich dazu beitragen.