Blogosphäre

Falsch etikettiert

Blogger müssten sich, so schrieb Thekla Dannenberg vergangene Woche in ihrem Beitrag Digitale Freistilringer, (vgl. Jüdische Allgemeine vom 9. Juli, S. 17), »ohne lange nachzudenken auf ihr Thema werfen, angriffslustig, begeistert oder wütend, aber immer mit dem Mut, nur vorläufig recht zu haben«. Ein solches oder ähnliches Urteil lesen Betreiber von Weblogs häufig, wenn Journalisten über sie schreiben, ein Berufsstand mithin, der für sich beansprucht, gründlicher zu recherchieren, ausgewogener zu schreiben und länger richtig zu liegen als die Verfasser von Internet-Tagebüchern. Doch auch Dannenberg scheint sich in diesem Fall, ohne lange nachzudenken, auf ihr Thema geworfen zu haben: Die »deutschsprachige jüdische Blogosphäre« wollte sie vorstellen; herausgekommen ist jedoch ein Porträt der pro-israelischen und antisemitismuskritischen deutschen Blogger-Szene, wobei die vorgestellten Weblogs nahezu ausschließlich von Nichtjuden betrieben werden.
Die Autorin ist also offenbar davon ausgegangen, dass jene Blogger, die für Israel und gegen Antisemitismus Partei ergreifen, nur Juden sein können. Nun ist eine solche Parteinahme durch Nichtjuden zweifellos tatsächlich nicht die Regel. Allzu oft wird hierzulande ein Bild von Israel gezeichnet, das von einem antisemitischen Grundton bestimmt ist und den jüdischen Staat als Inbegriff des Bösen darstellt, und allzu viele lassen die Juden im Kampf gegen den Judenhass jeglicher Couleur alleine. Nur verhält es sich im Fall der porträtierten Blogs eben anders. Schade, dass Thekla Dannenberg im Zuge ihrer Recherche nicht den Kontakt zu deren Betreibern gesucht hat. Sie hätte von ihnen zwar vielleicht nicht viel zum eigentlichen Thema ihres Beitrags erfahren, dafür aber immerhin die Gründe kennengelernt, aus denen es für diese Blogger – völlig unabhängig davon, ob sie nun jüdisch sind oder nicht – selbstverständlich ist, sich für Israel und gegen Antisemitis-mus einzusetzen: Diese Aufgaben resultieren aus ihrer Sicht zum einen aus einer Auseinandersetzung mit der Geschichte und sind für sie zum anderen schlicht und ergreifend Gebote der Humanität.
Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Artikel israelfreundliche und antisemitismuskritische Weblogs automatisch der jüdischen Blogosphäre zurechnet, ist aber nicht nur deshalb problematisch, weil die Autorin so de facto ausschließt, dass es auch Nichtjuden gibt, denen die Verteidigung des jüdischen Staates und das Engagement gegen Judenfeindlichkeit ein Anliegen ist. Sie ist es auch deshalb, weil die Verfasserin damit, wenn auch ungewollt, einer sonst vor allem bei ausgesprochen unsympathischen Zeitgenossen verbreiteten Logik folgt: Auf zahlreichen Webseiten und in etlichen Internetforen – vor allem aus der rechtsradikalen, aber auch aus der Ecke linker Antizionisten – werden die von Dannenberg vorgestellten Blogs in antisemitischer Absicht als »jüdisch« oder »zionistisch« bezeichnet. Die dahinterstehende krude Botschaft lautet: Juden sind nur (und automatisch) dem »rassistischen« und »militaristischen« Israel gegenüber loyal, und wer Jude ist, bestimmen wir.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich gehört Thekla Dannenberg nicht zu diesen Zeitgenossen; ihre Sympathien für die von ihr porträ tierten Blogs sind unverkennbar.
Und dennoch: Dadurch, dass die Autorin überwiegend nichtjüdische pro-israelische Internetseiten der »jüdischen Blogosphäre« zurechnet, bestätigt sie fak- tisch diejenigen, die sie selbst ablehnt. Außerdem lässt der Text den Eindruck entstehen, dass sich nur Juden um die Verteidigung Israels und die Bekämpfung des Antisemitismus kümmern und dabei von ihren nichtjüdischen Mitbürgern im Stich gelassen werden. Das ist zwar leider tatsächlich die Regel. Aber es gibt Ausnahmen – wie Dannenberg in ihrem Beitrag gezeigt hat, ohne es beabsichtigt zu haben. Linus Zavelberg

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Januar bis zum 5. Februar

 30.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025