Im Prozess gegen den Sänger Gil Ofarim haben am fünften Verhandlungstag erstmals Zeuginnen den jüdischen Musiker entlastet. Dessen ehemalige Managerin Yvonne P. sagte am Donnerstag vor dem Landgericht Leipzig, in einem Telefonat kurz nach dem strittigen Vorfall sei Ofarim sehr aufgebracht und aufgeregt gewesen, weil er antisemitisch beleidigt worden sei. Er habe darum gebeten, ihm ein anderes Hotel zu organisieren.
Die heute 45-Jährige hat nach eigenen Angaben bis zum Sommer 2022 fast zehn Jahre für Ofarim gearbeitet. Sie habe ihn gut gekannt, sie hätten sich gegenseitig vertraut. »Ich wusste, dass ihm etwas Schlimmes passiert ist.« Zuvor habe es nie irgendwelche Vorfälle mit ihm gegeben.
Ofarim behauptet, dass ein Mitarbeiter des Leipziger Hotels »Westin« ihm am 4. Oktober 2021 mit Blick auf seinen Davidstern an einer Kette gesagt habe: »Pack deinen Stern weg.« Er hatte den Vorfall in einem Instagram-Video geschildert, das millionenfach geklickt wurde. Der Hotelmanager bestreitet die Darstellung des Sängers.
»Pack deinen Stern weg.«
Zwar habe es eine verbale Auseinandersetzung zwischen ihnen gegeben, aber er habe Ofarim in der Hotellobby nicht antisemitisch beleidigt. Der Musiker habe ihm aufgrund der Wartezeit beim Check-in mit einer schlechten Hotelbewertung gedroht, er habe ihn daraufhin nicht eingecheckt.
»Das Thema Antisemitismus ist etwas, was ihn sein Leben lang schon begleitet und das weh tut«, sagte P. Sie habe ihm davon abgeraten, das Video zu veröffentlichen. Die Managerin sagte, sie habe Fotos der am selben Tag aufgezeichneten TV-Produktion erhalten, worauf der Stern zu sehen ist. »Ich gehe davon aus, dass die Kette auch im Hotel noch um seinen Hals hing«, sagte sie.
Ofarim muss sich seit dem 7. November wegen mutmaßlicher Verleumdung, falscher Verdächtigung sowie Betrugs verantworten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst gegen den von dem Sänger belasteten Hotelmanager, stellte die Untersuchungen aber später ein.
Der ehemalige Mitarbeiter des Leipziger »Westin« tritt nun im Prozess als Zeuge und Nebenkläger auf.
Auch die TV-Produzentin Nadine S. entlastete Ofarim mit ihrer Zeugenaussage. Sie hatte vor dem Vorfall mit Ofarim an dem Tag beim MDR eine Sendung aufgezeichnet. Bei der Fernsehproduktion sei er guter Stimmung gewesen, bei dem abendlichen Telefonat dann »total fertig und auch schockiert«. Die Produzentin bestätigte ebenfalls, dass Ofarim den Davidstern getragen habe.
Sachverständiger: Der Davidstern sei in den Videos nicht wahrnehmbar
Das kann der Sachverständige und Digitalforensiker Dirk Labudde in seinem Gutachten für die Zeit des strittigen Hotelbesuchs nicht bestätigen. Der Davidstern sei in den Videos von der Hotellobby nicht wahrnehmbar. »Wir finden nichts Reflektierendes auf der Brust«, sagte er.
Der Experte räumte aber ein: »Wenn ich ein Objekt nicht sehe, heißt es nicht, dass es nicht da ist.« Zudem sei eine Reflexion nach Verlassen des Hotels, beim Sitzen auf der Bordsteinkante, nachweisbar. Dies könnte Labudde zufolge der Stern sein. Bei einer Nachstellung der Szene in der Hotellobby am 6. Dezember 2021 sei der Davidstern von den Kameras erfasst worden. epd