von Lars Spannagel
Als die iranische Mannschaft vor vier Jahren ins Olympiastadion von Athen einlief, durfte Arash Miresmaeili die Fahne tragen. Der damals amtierende Judo-Weltmeister in der Klasse bis 66 Kilogramm ging als einer der Topfavoriten ins Turnier – und fuhr nach Hause, ohne einen einzigen Kampf bestritten zu haben. Denn die Auslosung ließ ihn in der ersten Runde auf den Israeli Ehud Vaks treffen. Aber da die iranische Regierung ihren Sportlern verbietet, gegen Israelis anzutreten, verzichtete Miresmaeili auf den Wettkampf. Sanktionen durch den Internationalen Judo-Verband (IJF) und das Internationale Olympische Komitee (IOC) umging er, indem er zum Wiegen mit üppigen zwei Kilo Übergewicht erschien. Zu einer ähnlichen Situation könnte es auch bei den am 8. August beginnenden Olympi0schen Sommerspielen in Peking kommen.
Denn Irans Sportpolitik hat sich seither kaum geändert. Das Verhältnis zu den USA hat sich zwar verbessert – die iranischen Basketballer bereiten sich zur Zeit auf Einladung der amerikanischen Profiliga NBA im US-Bundesstaat Utah auf Peking vor –, mit Israelis sollen iranische Sportler aber immer noch nicht spielen. »Wir hoffen, dass in Peking nicht dasselbe wie in Athen passiert«, sagt Michal Shahas, Sprecherin des Israelischen Olympischen Komitees (OCI). »Ich muss aber davon ausgehen, dass die Iraner diese Praxis fortsetzen.«
Vor zwei Wochen erreichte der 19-jährige iranische Schwimmer Mohammad Bidarian bei den Offenen Kroatischen Meisterschaften in Dubrovnik das Halbfinale über 100 Meter Freistil. Obwohl er bei dem Meeting die Chance gehabt hätte, sich für Peking zu qualifizieren, trat er im Halbfinale nicht an – im selben Lauf wie Bidarian wäre auch der Israeli Nimrod Shapira Bar-Or ins Wasser gesprungen. Die Haaretz zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Irans mit den Worten, der iranische Schwimmverband werde seinem Athleten bei dessen Rückkehr als »Würdigung seiner Geste einen besonderen Empfang bereiten«.
Beim Schwimmweltverband Fina hat der Fall noch keine Wellen geschlagen. Ein Sprecher teilte auf Anfrage mit, die Fina wisse nichts von Bidarians Ausstieg aus dem Wettkampf. Für Sanktionen sei man nicht zuständig, über mögliche Konsequenzen aus dem Fall könne allein der nationale Verband des Schwimmers befinden.
Ob es auch bei den kommenden Spielen dazu kommt, dass iranische Sportler dem Wettkampf mit israelischen Athleten aus dem Weg gehen, hängt zunächst davon ab, ob entsprechende Begegnungen ausgelost werden. Israel schickt 42 Sportler nach Peking, bis auf das Team in der Rhythmischen Sportgymnastik und einem Tennis-Doppel werden nur Einzelsportler am Start sein. Deswegen rechnet man beim OCI damit, dass es in Kampfsportarten wie Judo und Taekwondo oder im Tennis zu Paarungen mit Iranern kommen könnte.
Für Arash Miresmaeili hatte der Eklat von Athen keine Konsequenzen. Für seinen Startverzicht wurde er mit der gleichen Prämie belohnt wie ein iranischer Goldmedaillengewinner. Der damalige Bürgermeister von Teheran, Mahmud Ahmadinedschad, lobte, Miresmaeilis Tat werde ihm zu »ewiger Ehre« gereichen. In Peking hat Miresmaeili wieder die Chance, um Gold zu kämpfen. Die Starterliste des IJF weist ihn als automatisch für die Spiele qualifiziert aus, weil er 2007 Bronze bei der Judo-WM in Rio holte. Ein Israeli tritt in seiner Gewichtsklasse nicht an. Anders als in der Klasse bis 60 Kilo: Dort könnte es Gal Yekutiel aus Israel mit Massoud Akhondzadeh aus dem Iran zu tun bekommen. Ob die beiden sich dann auch wirklich auf der Matte gegenüberstehen, ist eine andere Frage.