von Julia Cook
Sein Fleisch ist weiß, fest und grätenarm. Fast alle guten Restaurants der südafrikanischen Kapregion haben ihn auf der Speisekarte, Gourmets sagen, sein Geschmack sei unverwechselbar. Manch jüdischer Feinschmecker allerdings redet nur hinter vorgehaltener Hand über den Kingklip. Bisher nämlich galt der Genypterus capensis nicht als koscher.
Rabbiner Desmond Maizels, Leiter der Kaschrutabteilung des Cape Bejt Din, widerspricht dem. Warum, das erklärte der Kapstädter Rabbiner kürzlich in einer Diskussionsrunde des Kollegs für Erwachsenenbildung (CAJE) in Johannesburg.
Nach der Tora sei alles koscher, was im Wasser lebt und Flossen und Schuppen hat, beginnt Rabbi Maizels. Weil die Rabbinen erkannten, dass Fische, wenn sie Schuppen haben, auch Flossen besitzen, sei das Vorhandensein von Schuppen zum Hauptkriterium geworden. Das Wort »Schuppe« stehe in der Tora aber im Singular, betont Maizels. Dies heiße, der Fisch müsse nicht ganz mit Schuppen bedeckt sein, sondern eine einzige Schuppe genüge, dass er koscher ist.
Wer schon mal einen Kingklip gesehen hat, weiß, dass seine Schuppen nicht nur klein und dünn, sondern auch schwer zu finden sind. Manche, die den Kingklip für trejfe halten, behaupten, die Schuppen seien nicht dick genug, um als wahre Schuppen durchzugehen. Doch die Tora, argumentiert Rabbi Maizels, äußere sich nicht zur Größe der Schuppen. »Wenn sie vorhanden sind und man sie mit bloßem Auge erkennen kann, dann hat der Fisch als koscher zu gelten.«
Wissenschaftlich gesehen, gibt es vier Sorten von Fischschuppen: die Zykloid- und die Ctenoidschuppen, die immer koscher sind; die Ganoidschuppen, von denen einige als koscher, andere als trejfe betrachtet werden; und schließlich die Pla- coidschuppen, die garantiert trejfe sind. Rabbiner Maizels sandte kürzlich eine Schuppenprobe des Kingklips an einen Experten. Der identifizierte sie als Zykloidschuppen.
Vier Beschuldigungen, sagt Maizels, würden immer wieder gegen den Kingklip vorgebracht. Erstens die Frage nach dem Sichsuch: Fahre man mit dem Fingernagel in einer Richtung über den Fisch, fühle er sich glatt an, und auch in der entgegengesetzten Richtung stoße der Nagel auf keinen Schuppenwiderstand. Demnach, so behaupten die Gegner des koscheren Kingklips, wäre der Fisch nicht zum Verzehr geeignet. Der Sichsuch werde aber nicht von allen Rabbinern gefordert, und er sei auch im Schulchan Aruch keine Bedingung, betont Maizels.
Zum Zweiten argumentierten einige, dass beim Kingklip die Schuppen nicht die Funktion einer Haut erfüllen. Dies aber sei vorgeschrieben, meinten sie. Damit ist die Frage berührt, ob Schuppen dazu da sind, den Fisch zu schützen, erklärt Rabbiner Maizels. Maimonides sagt, führt er aus, die Schuppen trügen dazu bei, Unreinheiten im Körper des Fischs zu beseitigen. Sie hätten also eine ähnliche Funktion wie die Nieren beim Menschen. Ein Mensch könne jedoch überleben, auch wenn nur ein kleiner Prozentsatz einer einzigen Niere funktioniert, hebt Maizels hervor. Daher könnten auch Fische mit wenigen Schuppen überleben. Dies bedeute, Schuppen schützen – im Sinne Maimonides – die Gesundheit des Fischs.
Drittens glauben viele, führt Maizels weiter aus, der Kingklip sei nicht koscher, weil seine Schuppen zu weich sind. Doch die Tora schreibe an keiner Stelle vor, dass Schuppen dick sein müssen, entkräftet der Rabbiner das Argument.
Schließlich viertens meinten einige, dass der Kingklip einem Aal sehr ähnlich sei. Und da alle Aale nicht koscher sind, müsse, so die Schlussfolgerung, auch der Kingklip trejfe sein. Doch eigentlich ähneln die beiden einander nicht, betont Rabbi Maizels. Aale glichen Schlangen, während der Kingklip wie ein gewöhnlicher Fisch aussehe.
Rabbiner Bakshi Doron, der frühere sefardische Oberrabbiner Israels, habe das Kaschrutproblem in Bezug auf Aale vor Jahren zusammengefasst, indem er festlegte: Weil es viel mehr nichtkoschere Aalarten gebe als koschere, sollten, um der Verwirrung vorzubeugen, alle Arten als trejfe gelten. »Doch Aal und Kingklip gehören zwei unterschiedlichen biologischen Kategorien an«, betont Maizels: Der Aal werde der Ordnung der Aalartigen (Anguilliformes) zugerechnet, während der Kingklip zur Ordnung der Barschartigen (Perciformes) zähle. Sie seien also überhaupt nicht miteinander verwandt.
»Laut dem südafrikanischen Bejt Din ist der Kingklip koscher«, schließt Rabbiner Maizels seinen Vortrag. Weil es aber immer noch Rabbiner gebe, für die der Kingklip zumindest problematisch ist, wurde er als »nicht mehadrin« eingestuft. Desmond Maizels hat eine Liste von Fischen auf der ganzen Welt erstellt, die traditionell als trejfe galten, sich in den vergangenen Jahren aber nach einer Überprüfung durch Kaschrut-Organisationen wie der Orthodox Union (OU) als koscher herausgestellt haben. Maizels glaubt fest daran, dass auch der Kingklip in Zukunft überall akzeptiert werden wird. »Der einzige Grund, weshalb er eigentlich trejfe sein müsste«, so Rabbi Maizels, »ist, dass er so unverschämt teuer ist.«