von Harald Neuber
Als das Europäische Parlament am Montag in Straßburg zu seiner ersten Sitzung im neuen Jahr zusammenkam, waren die Abgeordneten schon vorbereitet: Medienwirksam hatten Vertreter einiger rechtsextremer und neofaschistischer Parteien in den vergangenen Wochen angekündigt, eine neue Fraktion zu gründen. Es wäre der zweite Verbund dieser Art, seit das EU-Parlament 1979 zum ersten Mal gewählt wurde. Schon einmal, 1984 bis 1994, hatte die extreme Rechte eine Fraktion im Parlament gebildet. Seither erfüllten die Nationalen die Voraussetzungen nicht mehr. Nach der Straßburger Geschäftsordnung sind mindestens 19 Abgeordnete aus fünf Staaten notwendig, um eine Fraktion zu gründen.
Ironischerweise werden diese Voraussetzungen nun mit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum 1. Januar wieder erfüllt. Zur neuen Fraktion, die den sperrigen Namen »Identität/Tradition/Souveränität« (ITS) tragen soll, gehören damit Politiker aus zwei Staaten, deren EU-Beitritt ihre künftigen Fraktionskollegen zuvor verhindern wollten.
Andreas Mölzer, ehemaliger Chefideologe der rechtspopulistischen »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ), spricht daher auch nur von einem »Minimalkonsens« in der künftigen Fraktion, zu der neben seiner Partei der französische Front National und die belgische Separatistenpartei Vlaams Belang gehören. Neu im rechten Flügel sind die Großrumänenpartei (PRM) und das bulgarische Rechtsbündnis Ataka (»Angriff«). Auch der britische Abgeordnete Ashley Mote, ein ehemaliges Mitglied der rechtskonservativen britischen Unabhängigkeitspartei, wird mit von der Partie sein, ebenso wie die Enkelin des »Duce«, Alessandra Mussolini.
Obwohl die beiden Letztgenannten in Straßburg kaum ernst genommen werden – Mote ist vor allem durch sein Engagement für das Cricket-Spiel bekannt, Mussolini durch Fotos im Playboy 1983 –, verfolgen die anderen Parteien das Projekt mit Besorgnis. Denn bislang waren die Rechtsextremen als Fraktionslose von vielen Gremien ausgeschlossen. Nach dem Zusammenschluss stehen ihnen nun Dienstleistungen zu, mehr Geld, parlamentari- sche Mitarbeiter – und die Vertretung in Ausschüssen.
Bei den Beratungen in den bislang sieben Fraktionen hat die Allianz der Rechten seit Jahresbeginn daher eine wichtige Rolle gespielt. Die über 30 Mitgliedsparteien der sozialdemokratischen SPE-Fraktion etwa berieten, wie Rechtsextreme aus Machtpositionen in Gremien und Ausschüssen ferngehalten werden könnten. Man prüfe entsprechende Möglichkeiten in der Geschäfts- ordnung, hieß es aus Parlamentskreisen. Kampfbereit gab sich auch der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz. Die Rechten repräsentierten »alles, wogegen wir Sozialdemokraten stehen«, sagte er.
Gespannt warten die demokratischen Parteien auf die ersten Fehltritte der Rechten. Denn die sind wohl nur eine Frage der Zeit. Der Rumäne Dumitru Dragomir etwa hatte in der Vergangenheit bereits mit der Forderung für Aufruhr gesorgt, »Juden zu Seife zu verarbeiten«, während der Vorsitzende der bulgarischen Ataka, Volen Siderov, in Büchern vor der »globalen Verschwörung der Juden« warnt. Das Gefährli- che an dem neuen Bündnis ist, dass solche rechtsradikalen und offen antisemitischen Kräfte erstmals mit Parteien in einem Boot sitzen, die andernorts mit bürgerlichen Parteien koalieren. Die österreichische FPÖ ist ein Beispiel. Aber auch die rechtsklerikale Liga Polnischer Familien, die in Warschau mit Roman Giertych den Familienminister stellt, liebäugelt mit der neuen Fraktion. Aus dem Büro des SPD-Politikers Schulz heißt es deswegen, man werde an die konservativen Parteien appellieren, sich auch bei Themen wie dem Türkeibeitritt oder Einwanderung klar von den Rechten abzugrenzen.
Das israelische Außenministerium zeigte sich in einer offiziellen Erklärung »zutiefst besorgt« über die rechte EU-Fraktion, deren Vorsitzender Bruno Gollnisch wegen Leugnung der Nazi-Gaskammern angeklagt sei. Israel sei jedoch »zuversichtlich, dass die Mehrheit der Parlamentarier den europäischen Idealen treu bleiben« werde.