Fast hätte man Mitleid mit Walter Homolka haben können, wie er vergangene Woche vor dem Landgericht Berlin auftrat. Leicht zusammengesackt, introvertiert, beinahe verunsichert, nicht mehr weit entfernt von dem, was man gemeinhin einen »gebrochenen Mann« nennt.
Ganz anders indes präsentierte sich Homolka noch wenige Minuten vor dem Gerichtstermin beim Hineingehen in das Gerichtsgebäude. Selbstbewusst, laut wie eh und je, siegessicher. Walter Homolka ist ganz offensichtlich nicht nur jemand, der im Verdacht steht, jahrelang seine Macht missbraucht und in seinem Arbeitsumfeld ein Klima der Angst erzeugt zu haben, sondern auch ein guter Schauspieler.
UNTERSUCHUNG Im Zwischenbericht einer unabhängigen, groß angelegten Untersuchung wurden gegen den langjährigen Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam zahlreiche ebenso gut wie plausibel dokumentierte Anschuldigungen erhoben. Der vorläufige Bericht der Kanzlei Gercke Wollschläger, in Auftrag gegeben vom Zentralrat der Juden, liest sich vernichtend. Die Gutachter zeichnen darin nach Befragung von mehr als 70 Personen ein Bild von Homolka, das einen schaudern lässt.
Doch von Einsicht keine Spur. Homolka lässt über seine Anwälte auf Anfrage dieser Zeitung mitteilen, die Definition des Machtmissbrauchs in besagtem Zwischenbericht sei willkürlich und widersprüchlich, überhaupt sei er nur vorläufig. Eine Stellungnahme zu Fragen dieser Zeitung, wie er zum Vorwurf des Machtmissbrauchs und des Erzeugens eines »Klimas der Angst« stehe, sei »nicht möglich«, da sie sich »oberflächlich im Abstrakten« hielten.
MACHTMISSBRAUCH Auf die Klage Homolkas gegen den Zwischenbericht bestätigte das Landgericht Berlin nun in seinem Urteil, dass unter anderem die Äußerungen zum Machtmissbrauch und der Schaffung eines Klimas der Angst zulässig sind. Homolkas Rechtsanwälte kündigen insoweit bereits Rechtsmittel gegen die Entscheidung an, obwohl sie noch gar nicht begründet ist. Lediglich Äußerungen, die den Vorwürfen eine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Relevanz beimaßen, dürfen dem Gericht zufolge nicht mehr artikuliert werden.
Homolka wertet dies als großen Erfolg. Wie bezeichnend! Es zeigt einmal mehr, wie zwischenmenschliche Standards von Walter Homolka mit Füßen getreten werden. Denn über wen weiterhin mit Fug und Recht unter anderem gesagt werden darf, er stehe im Verdacht, systematisch seine Macht missbraucht zu haben, der wurde nicht von einem Gericht entlastet, sondern der ist am Ende – ethisch, moralisch und erst recht als Rabbiner.