»Das Recht auf Rückkehr« heißt der neue Roman von Leon de Winter, auf Deutsch erschienen im Diogenes Verlag. Die Literaturhandlung hat es in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus und B’nai B’rith vorgestellt. Es war eine Premiere besonderer Art, denn der Autor las weltweit das erste Mal aus diesem Werk, das in Holland bereits ein Bestseller ist.
Für die Vorstellung von Autor, Buch und Thematik sorgten Henryk M. Broder und Gastgeberin Rachel Salamander. Bereits der Titel assoziiert die gesamte Problematik: Henryk M. Broder listete drei Bedeutungen vom Recht auf Rückkehr auf. Da ist einmal das Recht für jüdische Auswanderungswillige, nach Israel zu kommen. Da ist die Forderung der Palästinenser, dass die Flüchtlinge wieder nach Israel zurückkommen können – aus 800.000 sind heute mit deren Nachkommen über vier Millionen geworden. Dazu eine Spekulation, wie Broder betonte: »Könnte es passieren, dass Juden aus aller Welt, die kommen wollen, eines Tages ein Recht auf Rückkehr reklamieren in die Länder, aus denen sie ausgewandert sind?« und er fügt hinzu: »Eine erhebliche Zahl von Israelis verfügt bereits heute über einen zweiten Pass. War früher die Einreise eine Versicherungspolice, so ist es heute ein zweiter Pass.«
Das Buch von Leon de Winter, so Broder, »ist die Ankündigung eines Unheils. Es spielt im Israel des Jahres 2024. Israel ist zusammengeschrumpft, aber das Problem der Palästinenser ist nicht gelöst. Leon de Winter hinterfragt das Undenkbare.« 2024 – das ist eine fiktive Zahl. Warum gerade dieses Jahr? Leon de Winter, der in dem Buch viel mit Zahlen und Zahlenkombinationen spielt, hat darauf keine konkrete Antwort. 2024 – das ist ein Jahr, das die letzten Überlebenden des Holocaust noch erleben könnten. Damit ist auch der Bogen geschlagen zu den Hauptfiguren des Romans: Bram Mannheim, früher Historiker und Professor in Tel Aviv und den USA – in der fiktiven Zukunft engagiert auf der Suche nach vermissten Kindern; sein Vater Hartog, Nobelpreisträger, der als Kind die Schoa erleiden musste; Sohn Benni, über dessen Schicksal nach seinem vierten Lebensjahr nichts mehr bekannt ist, und um den sich doch alles dreht. So wird der Bogen geschlagen über drei Generation und damit drei ganz unterschiedliche Epochen jüdischen Lebens in Europa, Israel, den USA und Russland. Leon de Winter liest einige Passagen aus seinem Buch, das sich in verschiedenen Abschnitten zwischen 2004 und 2024 bewegt. Die jeweilige Zeitsituation bedingt die Handlung, die sich für den Leser wie ein Puzzle zusammenfügt. Die bunte Schilderung der jeweiligen Charaktere und Situationen, die aufeinandertreffen, gibt dem Roman trotz der persönlichen Tragödien und der politischen Misere Israels immer wieder erheiternde Aspekte. So leitet Rachel Salamander die Diskussion mit der Frage an den Autor ein: »Du hast die lustigsten Stellen rausgesucht. Warum eine solche Verpackung?« Und Leon de Winter antwortet: »Meine Bücher sind immer mit einem Albtraum verbunden. Aber wie konstruiere ich eine Geschichte? Wenn ich mich unterhalte, tun es die anderen auch.« Er braucht den Kontrapunkt in den Gestalten und Charakteren. Das fiktive Israel des Jahres 2024 ist in Winters Roman gegenüber seinen heutigen Grenzen erheblich geschrumpft. Dennoch sind trotz modernster Sicherheitsvorkehrungen Terror und Bedrohung geblieben. »Glauben sie, dass Israel etwas tun kann?«, lautet eine Frage aus dem Publikum. »Darauf, wie wir uns verteidigen können, habe ich auch keine Antwort«, sagt der Schriftsteller. »Wir stehen mitten in einer unglaublichen Transformation der Wertevorstellungen.« Wenn de Winter schreibt, dann »habe ich so etwas wie Max und oder Hartog, die sich beide ganz deutlich äußern. Da gibt es aber auch Bram.«
Von dem Buch und seinen Figuren kann der Leser die Konflikte und die unterschiedlichen Gedanken dazu erfahren. Miryam Gümbel
Lesung