Herr Miller, das Chanukkafest in New York wird in diesem Jahr überschattet von den Folgen der Finanzkrise und des Madoff-Skandals (vgl. S. 2). Wie ist die Stimmung in den Gemeinden?
miller: Getrübt. Bislang war die jüdische Gemeinschaft genauso von der Krise betroffen wie jede andere Gruppe in den USA. Jeden Monat verlieren landesweit Hunderttausende ihren Job. Viele Beschäftigte im Fi- nanzbereich sind arbeitslos. Das gilt auch für New York. In der Upper Westside zum Beispiel, wo zahlreiche jüdische Singles leben, verlassen die Menschen ihre Appartements, weil sie sich das Leben dort nicht mehr leisten können. Sie ziehen zurück zu ihren Eltern. Aber der Madoff-Skandal hat uns besonders hart getroffen: Der Schaden für die jüdische Gemeinschaft geht in die Millionen.
Wie wird den Betroffenen geholfen?
miller: Zedakka ist das Gebot der Stunde. Auch wenn viele jetzt viel weniger haben, muss denen gegeben werden, die gar nichts mehr haben. Die United Jewish Appeal of New York, die zentrale Adresse für jüdische Philanthropie, hat 400.000 Dollar zur Verfügung ge-
stellt. Aber das ist nur eine kurzfristige Hilfe. Es ist damit zu rechnen, dass die Krise andauert. Auch weit über den 20. Januar hinaus, an dem wir eine neue Regierung bekommen.
Der »meistgehasste Mann New Yorks«, Bernard Madoff, ist Mitglied einer Ihrer Gemeinden. Was geht einem da durch den Kopf?
miller: Es ist schändlich, dass jemand aus der jüdischen Gemeinde, der so sehr mit ihr identifiziert wurde, über Jahre andere Menschen um ihr Geld und damit um ihre Zukunft brachte. Madoff ließ 50 Milliarden Dollar verschwinden. Das ist eine unvorstellbare Summe. Denken Sie nur daran, dass Hadassah 90 Millionen und die Yeshiva University 110 Millionen Dollar verloren haben.
Was bedeutet das für die Institutionen?
miller: Es geht jetzt ums Überleben. Einige Stiftungen mussten schon schließen, aber noch keine im New Yorker Raum. Wir als Dachverband der jüdischen Organisationen und Gemeinden in New York haben einen Etat von 3,5 Millionen Dollar jährlich. Dabei handelt es sich ausschließlich um Spenden. Ob wir am Ende die Arbeit fortführen und unsere 20 Angestellten noch halten werden können, wissen wir derzeit nicht.
Mit dem Generalsekretär des Jewish Community Relations Council New York sprach Detlef David Kauschke.