»Es geht um Angebot und Nachfrage«
Abraham Lehrer über Gemeinden, ihr Personal und Gehaltsstrukturen
Herr Lehrer, sowohl an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg als auch am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam werden Rabbiner ausgebildet, demnächst auch Kantoren und Gemeindearbeiter. In Erfurt gibt es den Studiengang Jüdische Sozialarbeit. Haben die Gemeinden genug Geld, um die künftigen Fachkräfte angemessen zu bezahlen?
lehrer: Wer in Deutschland eine Ausbildung absolviert, wird gemäß der hierzulande üblichen Gehälter bezahlt. Wenn wir zwei Sozialarbeiter für 20 Gemeinden haben, dann steigt der Preis natürlich ins Unermessliche, und die finanzschwachen kleinen Gemeinden haben Probleme. In dem Moment aber, wo es eine vernünftige Anzahl von gut ausgebildeten Fachkräften gibt, wird sich das auch im Preis widerspiegeln.
Die Gehaltsstruktur wird sich also verändern ...
lehrer: Ja, sie wird sich wieder so entwickeln, dass zum Beispiel ein Sozialarbeiter oder Jugendleiter bei uns ebenso viel verdienen wird wie einer, der bei einer evangelischen oder katholischen Einrichtung angestellt ist. Es geht um Angebot und Nachfra- ge: Wenn eines Tages jedes Jahr kontinuierlich zwei bis fünf Absolventen die Hochschulen in Heidelberg und Erfurt verlassen, dann können wir das Gehaltsgefüge auf normale Verhältnisse bringen, wie es bei jeder anderen Einrichtung der Fall ist.
Konkurrenz belebt das Geschäft. Wird sich auch bei Rabbinern eine wachsende Bewerberzahl auf das Gehaltsniveau auswirken?
lehrer: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. In dem Moment, wo die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien sagt, wir haben pro Jahr fünf, sechs Absolventen, dann bin ich zuversichtlich, dass wir mittelfristig auch eine Normalisierung – das heißt eine Reduktion – der Gehaltsstrukturen für Rabbiner erreichen werden. Voraussetzung dafür ist, dass diese Absolventen in Deutschland bleiben und nicht von Gemeinden im Ausland weggefischt werden.
Wie können Sie das verhindern?
lehrer: Der Zentralrat vergibt für die Studiengänge in Heidelberg und Potsdam Stipendien. Es erscheint mir sinnvoll und gerechtfertigt, diese Studierenden temporär an die Gemeinden und Landesverbände zu binden.
Mit dem Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln sprach Tobias Kühn.