von Marina Maisel
»Ich weiß, daß das alles schwer zu erklären ist, deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Vielleicht können die Kinder von heute dadurch verstehen, wie es war, ein kleines Mädchen in Tel Aviv zu sein, im Jahr vor dem großen Krieg.« Raya Harnik erzählt den Kindern ihre autobiographische Geschichte. Wie viele andere Autoren der Buchausstellung im Schloß Blutenburg hatte die in Berlin geborene Jüdin ein typisches Schicksal. 1936, als Raya drei Jahre alt war, emigrierte sie mit den Eltern nach Palästina. In dem Buch Tel Aviv liegt am Meer (1993) erinnert sich die Autorin an ihr Leben als fünfjähriges Mädchen in Tel Aviv.
Über diese Zeit und über sich selbst erzählen 60 Autoren in ihren Büchern, die in der Internationalen Jugendbibliothek in München derzeit präsentiert werden. Die Ausstellung Jüdische Kinderliteratur: Geschichte, Traditionen, Perspektiven ist von Wiesbaden über Mainz nach München gekommen. Die Idee, eine solche Ausstellung zu konzipieren, hatte die Mainzer Literaturwissenschaftlerin Bettina Kümmerling-Meibauer. Zusammen mit elf Studenten aus ihrem Seminar über jüdische Kinderliteratur hat sie die Ausstellung vorbereitet. Die meisten der ausgestellten Bücher aus dem Zeitraum von 1910 bis 2004 stammen aus Privatbesitz. Sie wurden ergänzt durch Bücher aus dem Bestand der Internationalen Jugendbibliothek München und der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg.
Egal ob Märchen, Erzählung oder phantastischer Roman – unabhängig vom Genre führen uns die Geschichten gemeinsam mit den Hauptfiguren mitten hinein in jüdisches Leben. Dabei hat die Ausstellung nicht nur Titel jüdischer Autoren aufgenommen, sondern auch solche, in denen sich nichtjüdische Autoren intensiv mit dem Judentum beschäftigt haben. Die Bücher stammen aus den verschiedensten Ländern und unterschiedlichen Epochen. Jedes Buch berichtet so, abgesehen von der ganz persönlichen Geschichte, auch vom gemeinsamen Schicksal des jüdischen Volkes.
Wie zum Beispiel Isabella Leitner in ihrer Autobiographie Isabella. Fragmente ihrer Erinnerung an Auschwitz (1978). Geboren 1931 im ungarischen Kisvárda wurde die 13jährige Isabella zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Auschwitz deportiert. Acht Monate sollte sie dort bleiben. Sie überlebte. Ein dramatisches Schicksal, das sie mit anderen Autoren teilt. »Die meisten von uns sind geboren, um zu leben – zu sterben, aber vorher zu leben«, schreibt Isabella Leitner.
Kinder lieben Comics. Der in Stockholm geborene Jude Art Spiegelman erzählt seine Familiengeschichte in den Comics Maus. (1986-1991). In den Bildergeschichten stellt er die Juden als Mäuse und die Nazis als Katzen dar. »Wenn man Fotos aus Konzentrationslagern betrachtet, stellt man fest, daß die Menschen ihre individuellen Charakterzüge verloren haben, sie sehen einer aus wie der andere. Es scheint mir eine kraftvolle Aussage, das auf die Mäuse zu übertragen, die sich alle ähneln und erst im Verlauf der Geschichte zu eigenen Persönlichkeiten werden«, so der Autor.
Weltweit berühmte und auch weniger bekannte Autobiographien, schöne Märchen, phantastische Erzählungen, Bilder-, Mädchenbücher, illustrierte Gedichte und natürlich auch Kinder und Jugendromane sind in der Internationalen Jugendbibliothek in München ausgestellt.
Die Ausstellung »Jüdische Kinderliteratur: Geschichte, Traditionen, Perspektiven« ist noch bis zum 26. Februar in der Internationalen Jugendbibliothek in Schloß Blutenburg zu sehen.
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