von jan Eike Dunkhase
In dieser Woche hat die Europäische Union ihre Sanktionen gegen den Iran verschärft. Dennoch pflegt Deutschland weiterhin wirtschaftliche Kontakte zur Islami- schen Republik Iran. In dieser Situation fordert nun ein Buch eine vermeintlich völlig »andere Iran-Politik«, die sich den Mullahs nicht mehr als Gegner, sondern als Partner nähern soll. Es verdient umso mehr Beachtung, als es sich bei seinem Verfasser um Christoph Bertram handelt – langjähriger Ressortchef der »Zeit« und ehemaliger Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Bertram plädiert in seiner von der Körber-Stiftung herausgegebenen Schrift für ein Ende der Sanktionen bei gleichzeitiger Intensivierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran. Von ihnen erhofft er sich Großes; die Fortsetzung des iranischen Atomprogramms nimmt er dafür explizit billigend in Kauf. Seine Argumentation ist dabei manchmal schillernd: Da die schwachen Sanktionen nichts gebracht hätten, solle man sie nicht etwa verschärfen, sondern ganz einstellen. Mitunter stößt man auf Sätze wie diesen: »Wäre der Iran ein Staat mit demokratischer Verfassung und transparenter Führungsstruktur, ließe sich an seiner Eignung zum Partner des Westens nicht zweifeln.« Welcher Staat, ließe sich fragen, wäre das nicht? Über die betrübliche Tatsache, dass der Iran eben doch kein demokratischer Staat ist, hilft sich Bertram mit dem Befund einer »pulsierenden Zivilgesellschaft« hinweg, wobei er einräumen muss, dass die »öffentliche Debatte« nach zunehmender »Drangsalierung der Presse« auf »Mobilfunk und Internet« ausweiche. Ein Regimewechsel per SMS steht freilich vorerst nicht ins Haus.
Seine Gewissheit, dass ein atomar bewaffneter Iran »kein strategisches Desaster« wäre, gründet Bertram auf einen Vergleich mit dem Kalten Krieg. Damals waren beide Seiten zu vernünftig, um die Atombombe zum Einsatz zu bringen. Anders als die Sowjetfunktionäre folgt die religiös verblendete Führungsschicht im Iran jedoch immer mehr einem apokalyptischen Politik- verständnis. Gerade Staatspräsident Ahmadinedschad gehört einer radikal-messianischen Strömung der Schia an, die sich bei ihrer Heraufbeschwörung des Weltendes von der Aussicht auf den eigenen Untergang nicht abschrecken lässt. Dies bringt den deutschen Experten jedoch ebenso wenig aus der Ruhe wie die Vernichtungsdrohung gegen Israel, die er zum passiven Hoffen herunterspielt. Für das von Bertram avisierte Entspannungsangebot des Westens wäre dann auch »die vorherige Rücknahme der israelfeindlichen Erklärungen aus Teheran nicht Vorbedingung«.
In Israel ist die iranische Bedrohung jedoch nicht nur rhetorische Zukunft, sondern auch blutige Gegenwart. Der zermürbende Raketenkrieg palästinensischer Ter- roristen aus dem Gasastreifen erreicht dank iranischer Lieferung inzwischen die israelische Küstenstadt Aschkelon; jenseits der Nordgrenze rüstet die vom Iran getragene Schiitenmiliz Hisbollah zum neuen Krieg. Über Alarmismus lässt sich streiten, Alarm herrscht in Israel allerdings jeden Tag.
Die israelischen Juden sind in ihrer Existenz zu sehr bedroht, um die historische Lektion vergessen zu können, dass fanatische Führer das, was sie sagen, womöglich auch so meinen. In den »unsenti- mentalen Gefilden interessengeleiteter Außenpolitik«, von denen aus Christoph Bertram dem Westen eine Annäherung an den Iran anempfiehlt, ist sie nicht einmal mehr ein historisches Sentiment.
christoph bertram: partner, nicht gegner. für eine andere iran-politik
Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2008,
91 S., 10 €