Energie aus dem Meer
Vor der Küste werden
Öl- und Gasvorkommen gesucht
Auf Moses war Golda Meir gar nicht gut zu sprechen. Der biblische Volksführer, giftete Israels Ministerpräsidentin während der Erdölkrise von 1973/4, habe die Juden 40 Jahre durch die Wüste geschleppt, sie am Ende aber in ein Land ohne Öl geführt. Die Erdölexploration, die der jüdische Staat im Laufe einiger Jahrzehnte betrieb, blieb weitgehend erfolglos. Daran änderten auch fromme Versuche nichts, den Standort von Öllagerstätten anhand biblischer Beschrei-
bungen zu ermitteln.
Die Eigenförderung liegt bei nur 70 Barrel pro Tag, weniger als ein Millionstel der weltweiten Produktion. Vor sieben Jahren kam neue Hoffnung auf, als im Süden der Mittelmeerküste ein Erdgasfeld, Mari B, gefunden wurde. Allerdings erfüllte sich die Erwartung von Anschlussfunden nicht. Und die Vorräte von Mari B gehen nach und nach zur Neige. So bleibt Israel auf Energieimporte angewiesen und gab im vergangenen Jahr fast sieben Milliarden Dollar für Treibstoffimporte aus. Glaubt man Experten des Infrastrukturministeriums, könnte sich die Lage bald ändern. Aufgrund neuer geologischer Erhebungen und einer Neuauswertung bestehender Daten glaubt man in dem für Energiepolitik zuständigen Ressorts, dass es gute Chancen für die Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen gibt, die den Bedarf des Landes für ein bis zwei Jahrzehnte decken.
Ob die Hoffnung berechtigt ist, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Noch in diesem Sommer läuft im Mittelmeer eine neue, intensive Suche nach Öl und Gas an. Hierbei soll erstmals die gesamte Fläche der israelischen Wirtschaftsgewässer unter die Lupe kommen. Mit Genehmigung von Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser wollen Glücksritter seismische Untersuchungen des Meeresbodens und bei Erfolg versprechenden Ergebnissen auch Probebohrungen durchführen. »Das Öl ist da. Wir müssen es nur finden«, geben sich die zuständigen Beamten zuversichtlich.
Reich wird die Regierung freilich auch dann nicht, wenn die Exploration erfolgreich verläuft. Der Staat hat sich vor langer Zeit aus der aktiven Suche zurückgezogen und überlässt das Feld internationalen und einheimischen Profis. Zwar müssen sich diese verpflichten, Lizenzgebühren von einem Achtel des Öl- beziehungsweise Gaswertes an die Staatskasse abzuführen, doch wäre das bei den vermuteten Vorkommen nicht mehr als ein nettes Nebeneinkommen für Vater Staat.
Das eigentliche Ziel der Aktion ist denn auch kein Reichtum, sondern höhere Liefersicherheit. Die Tatsache, dass der Lö-
wenanteil der weltweiten Energieressourcen in arabischen Ländern angesiedelt ist, so Ressortchef Ben-Elieser in der vergangenen Woche, macht Israels Versorgungslage besonders prekär. Dank eigener Vorkommen, auf die sich die Regierung das Vorkaufsrecht gesichert hat, wäre das Problem gelöst. Wladimir Struminski