von Heide Sobotka
Am meisten bedauert Ester Klaus ihre Vermieterin. Diese hatte sich für die Jüdische Gemeinde Erlangen besonders eingesetzt und muss ihr jetzt doch nach nur einem Jahr kündigen. Schuld ist das Umnutzungsrecht. Bevor die Gemeinde im März dieses Jahres in das Erdgeschoss in der Hindenburgstraße 38 einzog, war hier eine normale Wohnung. Ihre Besitzerin hatte der Gemeinde diese als Räume zur Verfügung gestellt und lebte selbst im ersten Stockwerk der Villa. Soweit so gut. Im Dachgeschoss wohnte eine zweite Eigentümerin. Als sie krank wurde, zog ein Sohn mit ein. Inzwischen ist die Frau verstorben. Und ihre drei Kinder haben als Erbengemeinschaft Einspruch gegen die Nutzung des Erdgeschosses durch die jüdische Gemeinde eingelegt. Das Amtsgericht Erlangen hat ihnen nun in dem Punkt recht gegeben, dass eine mehrheitliche Zustimmung für die Umnutzung nicht ausreicht. Das Gericht folgt einer neuerlichen Rechtsauffassung, dass ein einstimmiges Votum der Eigentümer für eine Umnutzung vorliegen muss. Die jüdische Gemeinde darf also nicht in der Wohnung bleiben.
Die Kündigung ist fristlos. »Damit stünden wir ab 1. Januar auf der Straße«, sagt die 50-jährige Gemeindevorsitzende Ester Klaus. Sie findet das sehr schade. Die Gemeinde habe sich in dem Umfeld alter ehrwürdiger Villen sehr wohl gefühlt. Das Haus sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar und ruhig und vor allem für die älteren Mitglieder gut zugänglich. Die Hindenburgstraße sei längst kein reines Wohngebiet mehr gewesen. Viele Eigentümer hätten sich die Kosten nicht mehr leisten können und so seien in der unmittelbaren Nachbarschaft Rechtsanwaltspra- xen, evangelische und katholische Institutionen und eine Sprachschule eingezogen. Gegenüber stehen Universitätsgebäude. »Das Umfeld war ideal für uns«, sagt Klaus. Im Haus habe man sich nach dem Tod der alten Dame jedoch nicht mehr so wohlgefühlt. So ganz willkommen sei man der Erbengemeinschaft wohl nicht gewesen, vermutet Klaus.
Hinzu kommt, dass die Gemeinde juristisch bislang offenbar falsch beraten wurde. Sie hat sich jetzt an die Anwaltskanzlei Bossi in München gewandt. Die macht ihr zwar wenig Hoffnung, doch die Stadt Erlangen und die Universität haben sich auf die Seite der Gemeinde geschlagen. Die Erlanger Hochschule wollte ein Haus in der Nähe zur Verfügung stellen. Die Ratsfraktionen haben ebenfalls alle erdenkliche Unterstützung zugesagt. Vor einem neuerlichen Umzug graut es Ester Klaus jedoch. Es sei nicht nur der Aufwand, sondern auch das Geld, das ihr Sorgen bereitet. Möglicherweise müsse die Gemeinde auch die Renovierungskosten von 160.000 Euro zurückzahlen. Sicherheitsvorschriften haben die Kosten in die Höhe schnellen lassen. »Wir haben kein Geld.« Die Gemeinde zählt 118 Mitglieder, 80 Prozent von ihnen kommen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.