von Wladimir Struminski
Imad Mughnije ist einen standesgemäßen Tod gestorben. Als sein Wagen vergangene Woche durch Damaskus fuhr, explodierte ein am Wegesrand platzierter Sprengsatz. Mughnije wurde tot geborgen – so wie Hunderte seiner Opfer. Bereits als 21-Jähriger war der Schiit an Bombenanschlägen auf amerikanische und französische Soldaten der multinationalen Friedenstruppen im Libanon sowie auf die US-Botschaft in Beirut beteiligt. Bei diesen Angriffen kamen 372 Menschen ums Leben. Es folgten die Kaperung eines amerikanischen Verkehrsflugzeugs und Entführungen westlicher Staatsangehöriger in Beirut. Auch Israelis und Diasporajuden kamen in sein Visier. Mughnije wurde wegen der Angriffe auf die israelische Botschaft und das Hilfswerk AMIA in Buenos Aires von 1992 und 1994, bei denen 29 beziehungsweise 85 Menschen getötet wurden, per internationalem Haftbefehl gesucht. Sein Tod »lässt uns mit leeren Händen dastehen«, so Sergio Burstein von der Angehörigengruppe der Opfer des AMIA-Anschlags. Denn nun werde er keine Aussage vor einem Gericht mehr machen können.
Nach israelischen Erkenntnissen leitete der »Generalstabschef der Hisbollah« 2.000 die mit tödlichem Ausgang verlaufene Entführung von drei Soldaten an der israelisch-libanesischen Grenze. Im Juli 2006 war er an der Entführung der Reservisten Ehud Goldwasser und Eldad Regew beteiligt. Nach dem Libanonkrieg baute der Waffenkenner das Arsenal der Hisbollah wieder auf. In den letzten Monaten soll er an der Vorbereitung eines Massenanschlags gegen Israel beteiligt gewesen sein. Schließlich soll er zur militärischen Erstarkung der Hamas im Gasastreifen beigetragen haben.
Unter Gesinnungsgenossen hatte sich Mughnije einen mythischen Status erworben. Der »oberste Führer« des Irans, Ajatollah Ali Chamanei, würdigte ihn als einen »großen Mann, der sein Leben für die Freiheit seines Landes und seiner Nation opferte«. Israel und der Westen vergossen über die Liquidierung keine Tränen. Wie es hieß, stand Mughnije auf 42 Suchlisten. Mit undiplomatischer Offenheit erklärte US-Außenamtssprecher Sean McCormack, die Welt sei »ein besserer Ort ohne diesen Mann«. In Israel brachten Hinterbliebene von Mughnijes Opfern Genugtuung über sein jähes Ende zum Ausdruck.
Abgeschlossen ist der Fall Mughnije aber nicht. Vielmehr droht sein Tod eine neue Welle der Gewalt einzuleiten. Die Hisbollah hat Israel mit Rache gedroht. Dass Jerusalem »den Versuch terroristischer Elemente, Israel eine Beteiligung an diesem Vorgang zuzuschreiben« zurückwies, beeindruckt weder die schiitische Organisation noch ihre Förderer in Teheran. Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah drohte Israel den »offenen Krieg« an. Das wird in Israel als eine Ausdehnung der Terrorakte auf israelische und jüdische Ziele in der Diaspora verstanden. Dennoch glauben israelische Kommentatoren, dass Mughnijes Tod die Hisbollah wesentlich geschwächt und anderen Terrorkommandeuren ihre eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt hat.
Syrien und dem Iran kommt das Attentat ungelegen. Mughnijes nun nicht mehr zu leugnender Aufenthalt in Damaskus legt die Verstrickung des Regimes von Bashar al-Assad in den internationalen Terrorismus bloß. Zugleich stellt sein Tod eine Blamage für die syrischen Geheimdienste dar: Sie waren für den Schutz des libanesischen Genossen verantwortlich. Der Iran wiederum sieht sich einem außenpolitischen Dilemma gegenüber: Eine »erfolgreiche« Auslandsoffensive der Hisbollah verlangt aktive logistische Unterstüt- zung durch Teheran. Das wäre für das Image des Landes und damit auch für sein Atomwaffenprogramm hinderlich. Andererseits steht Teheran unter Zugzwang: Greift es der Hisbollah nicht unter die Arme, zeigt es Schwäche. So lautet eine Theorie, dass sich die Hilfe des Mullahregimes auf israelische und jüdische Ziele in weltpolitisch weniger bedeutenden Regionen, etwa Afrika, Lateinamerika und Teilen von Asien, konzentriert. Jedenfalls gilt seit letzter Woche für Israel wie für israelische und jüdische Einrichtungen weltweit erhöhter Terroralarm. Auch die israelische Botschaft und die jüdischen Einrichtungen in Argentinien befinden sich in verstärkter Alarmbereitschaft. (Mitarbeit: Jürgen Vogt)