von Miryam Gümbel
Ein Oberbürgermeister muss genau hinhören, um die Gegebenheiten und Stimmungen in der Stadt auszuloten. Die Aufnahme von Christian Ude entstand jedoch nicht bei einem politischen Termin des Münchner Stadtoberhauptes. Sie zeigt ihn bei einem Auftritt im Hubert-Burda-Saal des Jüdischen Zentrums am Jakobsplatz in seiner Eigenschaft als Kabarettist.
Als solchen hatte ihn Ellen Presser, die Leiterin des Kulturzentrums der IKG, eingeladen zur Kabarettreihe, die sie zum 25-jährigen Jubiläum des Jugend- und Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemein-
de gemeinsam mit dem Psychologen Louis Lewitan, Co-Autor mehrerer Cartoonbände, konzipiert hat.
Wenn Humor die Waffe der Schwachen ist, so führte die Gastgeberin einleitend aus, dann ist jüdischer Humor ein Stück Lebenshilfe, ja Überlebenshilfe. Der jüdische Humor basiere auf Selbstironie und Fähigkeit zur Eigenkritik. Er helfe den Juden seit biblischen Zeiten über die Fährnisse des Lebens hinweg. Zwischen 1933 und 1945 wurde, so Presser weiter, dem jüdischen Humor gründlich der Garaus gemacht. Darum konnte das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde dieses Phänomen nur noch mit einer Hommage an die letzten Zeugnisse im Jüdischen Kulturbund bis 1941 und selbst noch in den Konzentrationslagern Westerbork und Theresienstadt aufnehmen. Der erste Abend hatte sich dieser Zeit gewidmet und gezeigt, dass jüdischer Humor mit Witz und Intelligenz, mit Schlagfertigkeit und Mut zu tun hat. Nach der Schoa ist wenig davon übrig geblieben. Darum, so begründet Ellen Presser die gesamte Reihe, »muss man sich heute anschauen, wie die deutsche Kabarettszene unserer Zeit mit ihren Spuren der Vergangenheit, mit Obrigkeitsdenken und Toleranz umgeht, das geltende Wertesystem und politische Entscheidungen hinterfragt«. Für die Fähigkeit zur Selbstironie und Eigenkritik ist Christian Ude dabei ein gutes Beispiel. Das Talent des Juristen, Journalisten und Kommunalpolitikers erstreckt sich nicht nur auf das Schreiben von Geschichten, sondern wird auch in der Art des Auftritts als Kabarettist deutlich. Zum Beispiel eben auch in der im Bild festgehaltenen Szene. Damit leitete der bekennende »Löwen«-Fan die beinahe tragisch-komische Situation ein, als er »seine« 1860er Fußballer als junger Oberbürgermeister auf dem Rathausbalkon am Marienplatz zu einer Meisterschaftsfeier begrüßen sollte. Zur Einstimmung auf der Bühne des Hubert-Burda-Saals fragte er die Besucher nach dem Schlachtruf der Münchner Fußball-Mannschaft: »Einmal Löwe ...« und wartete dann auf das zunächst eher schwach ausfallende »... immer Löwe« aus dem Publikum. Als dies laut genug erschallt war, erzählte er von der beinahe schief- gegangenen Meisterschaftsfeier. Die eigenen Schwächen im Nachhinein belächeln zu können, macht die besondere Stärke des Humoristen Ude aus. Nie wird ein anderer Opfer seiner Ironie. Diese Linie und die zwischen den Zeilen versteckte Aussage einer steten Lernfähigkeit bringt ihm die nachdenkliche Zustimmung sowie Lachen und Applaus der Zuhörer.
Wie nahe Lachen und Nachdenklichkeit, ja sogar Trauer beieinanderliegen können, zeigte Ude ganz unspektakulär in einer Hommage an seine Mutter: Begeistert folgten die Zuhörer den Szenen, in denen die kämpferische Frau den Lehrern ihres Sohnes keine Chance ließ, schlecht über diesen und seine Leistungen zu denken oder gar sich dementsprechend zu äußern. Schmunzeln rief auch die Episode aus einer Zeit hervor, als Udes Mutter altersbedingte Missverständnisse unterliefen: Zum 50-jährigen Bestehen der Münchner Abendzeitung war Ude im Rahmen des Festprogramms als Kabarettist aufgetreten und hatte anschließend in der Pause in der Kleidung eines Zeitungsverkäufers die Abendzeitung verteilt. Klar, dass dieses Foto dort abgedruckt wurde. Beim nächsten Besuch tröstete Mutter Ude den Sohn über den vermeintlichen Verlust seines Oberbürgermeisteramtes hinweg. Der Beruf als Zeitungsverkäufer sei schließlich keine Schande. Kurz vor dem Tod der Mutter, und hier wurde es dann im Saal sehr ruhig, habe sie den Sohn immer mit dem Namen des Vaters angesprochen. Das vermeintliche Verwirrtsein deutete Ude als Abschied und eine letzte Hilfestellung für den geliebten Sohn.
Im anschließenden Gespräch mit Louis Lewitan beantwortete Ude auch die Frage, was er unter Humor versteht: »Es gibt verschiedene Eigenschaften, die wir alle in die Kiste Humor packen, obwohl diese etwas anderes sind, etwa Wortwitz. Auch Ironie alleine ist noch nicht unbedingt Ausdruck von Humor. Sie kann ein Versuch sein, sich aus jeder Positionierung herauszunehmen. Humor hat schon etwas mit Gelassenheit und Heiterkeit zu tun. Zum Humor gehört auch, sich selbst auf den Arm zu nehmen.«