von Sabine Brandes
Viele Hüte, große Töpfe, lange Strümpfe. Das Sortiment in diesem Warenhaus ist voll und ganz auf die Bedürfnisse seiner Kunden abgestimmt. Und die haben zwei besondere Eigenschaften. Erstens sind sie ausschließlich weiblich, zweitens strengreligiös. In Israel hat das erste Kaufhaus nur für Frauen seine Pforten geöffnet. Hier, in Bnei Brak, einer der größten ultraorthodoxen Gemeinden des Landes, nahm die Idee des Geschäftsmannes Rami Shavit vergangene Woche Form an.
Die Straßen in dem religiösen Viertel bei Tel Aviv sind voller Menschen, wie an jedem Freitagmorgen, aus den Bäckereien duftet es nach frisch gebackenen Challot. Die letzten Schabbat-Einkäufe werden erledigt, hektisch-lautes Treiben in den Geschäften. Nicht im »Hamaschbir Hachadasch«, dem »neuen Hamaschbir«. Sanfte Musik lullt die Käuferinnen ein, freundlich lächelnde Damen in langen Röcken fragen höflich, ob sie helfen können.
Die Filiale der größten Warenhauskette des Landes beschäftigt ausschließlich Frauen. Und auch auf Kundenseite gilt: Männer müssen draußen bleiben. Sehr zur Freude der Damenwelt in Bnei Brak. Denn die empfindet das Geschäft als Bereicherung: »Es ist ein einzigartiges Einkaufserlebnis«, meint Kundin Dvora Katz. »Ich kann mich in aller Ruhe umschauen, ohne daß jemand immer auf die Uhr schaut und nörgelt.« Die feinsten Düfte, das neueste Make-up, die schicksten Dessous. Anprobieren, ausprobieren, ohne die Sorge, daß einen ein unerwünschter Blick des anderen Geschlechts treffen könnte. Katz hat vor, regelmäßig bei »Hamaschbir« vorbeizuschauen. »Nur mein Mann beschwert sich«, fügt sie hinzu. »Diskriminierung von Männern«, war sein Kommentar bei der Eröffnung. Allerdings mit Schmunzeln und zwinkerndem Auge.
Die Produktpalette hier unterscheidet sich von denen in Tel Aviv, Haifa oder Eilat. Überdurchschnittlich groß ist die Auswahl an Hüten und Kopftüchern. Auch lange Nachthemden und Strumpfhosen gibt es ausnehmend viele. Ganz abgestimmt auf die Wünsche der strengreligiösen jüdischen Frau. Eine Befragung in der Gegend machte deutlich, daß diese Dinge besonders häufig gekauft werden. In der Haushaltsabteilung sind die Töpfe voluminöser als anderswo, passend für die orthodoxe Großfamilie. Auch schabbat-taugliches Geschirr und Zubehör gibt es in Mengen. Doch noch etwas fällt auf: Die Kosmetikabteilung nimmt nahezu die Hälfte der Etage ein. Parfums, Cremes, Lotionen und Pudertöpfchen, soweit das Auge reicht.
»Natürlich«, sagt die Filialleiterin Pnina Greenberg mit Selbstverständnis. »Da dieses Kaufhaus speziell für Frauen designt ist, ist diese Abteilung auch besonders groß.« Unter den langen Röcken und hochgeschlossenen Blusen der religiösen Damen steckten Frauen mit ganz normalen Bedürfnissen, die Kosmetik und schöne Dinge lieben, ist Greenberg überzeugt. Fachpersonal in hochgeschlossener Kleidung, aber teils mit offenen Haaren und perfekt geschminkten Gesichtern berät die Kundinnen in Sachen Kosmetik. Was fehlt, sind die Models. Keine Claudia Schiffer oder Kate Moss lächelt hier verführerisch von den Verkaufsständen. Stattdessen sollen Fotos von den Produkten selbst zum Kauf anregen. Die meisten Modelbilder seien einfach zu offenherzig und aufreizend, so die Leiterin.
Die attraktive Frau im edlen schwarzen Kostüm ist stolz auf das Geschäft: »Bis zu 40 Angestellte werden hier arbeiten und sich um die Kundinnen kümmern. Wir sind sicher, daß unser Hamaschbir ein voller Erfolg werden wird.« Rami Shavit, Vorstandsvorsitzender der Warenhauskette, hatte die Idee des männerfreien Geschäfts. In der israelischen Tageszeitung Yedioth Acharonoth sagte Shavit, daß er im ersten Jahr nicht damit rechne, Geld zu machen, aber an diesen Markt glaube. »Immerhin ist Bnei Brak das Handelszentrum der orthodoxen Gemeinde.«
Die Kundinnen sollen zwischen den hochwertigen Waren für eine Weile den Alltag vergessen, so Greenberg. »Das Geschäft ist so elegant angelegt, damit sie sich ein bißchen wie im Ausland fühlen können. Wie in Paris oder Mailand vielleicht.« Tatsächlich weht ein Hauch von einer anderen Welt, wenn man aus dem staubigen und rastlosen Bnei Brak ins »Hamaschbir« tritt: Sanfte Musik, glänzende Böden, entspannte Atmosphäre und für diese Gegend hohe Preise.
Reisi Zin ist Verkäuferin. Sie trägt Kopftuch, langen Rock und flache Schuhe. Und ständig ein Lachen auf den Lippen. »Es ist toll hier«, sagt sie und strahlt. »Die Frauen, die hierherkommen, fühlen sich frei. Wir sprechen mit ihnen ausgiebig über die schönen Sachen, ohne daß jemand dabei stört.« Für sie ist Verkaufen ohne Männer ein Riesenspaß. Enthusiastisch preist sie der einen Frau die Vorzüge der Pfeffermühle an, der anderen führt sie vor, wie außergewöhnlich weich die Handtücher sind.
Eine Abteilung weiter diskutieren zwei Frauen über die Vorzüge dieser oder jener Unterwäsche. Welche sitzt am besten, welche kneift. Die Wäsche könnte genauso in jedem anderen Kaufhaus der Welt hängen. Von klassisch chic bis zu frech und gewagt. Hier blitzt eine Verzierung aus Spitze, dort ist das Wort »Love« mit Straßsteinchen geschrieben. Keine Schamesröte oder verhuschte Tuschelei. Die Frauen sind unter sich.