von Sophie Neuberg
Wie unendlich weit weg 1958 sein kann, bedenkt man, was damals Schlagzeilen machte: In Deutschland durften Frauen endlich ohne Erlaubnis des Ehemannes arbeiten, die Weltausstellung in Brüssel stand im Zeichen des Atomiums, in den USA wurde die Raumfahrtbehörde NASA gegründet und in Schweden wurde der erste Herzschrittmacher implantiert.
Eine Schuhcremedose diente als äußerer Formgeber, das Gerät musste in den Oberbauch eingepflanzt werden, denn durch seine Größe hätte es nicht in die Nähe des Herzens gepasst. Es hielt auch nur eine Nacht lang. Heute sind Herzschrittmacher leistungsstarke Computer im Miniformat: nur noch so groß wie eine Streichholzschachtel und nicht einmal 30 Gramm schwer. Es gibt verschiedene Modelle für die unterschiedlichen Formen von Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche, und ihre Haltbar- keit beträgt bis zu neun Jahre.
In Deutschland war es Heinz-Joachim Sykosch, der die erste Implantation eines Herzschrittmachers 1961 durchführte – damals hinter dem Rücken seines Chefs, der mit dieser neuen Idee nicht einverstanden war und ihn auch umgehend auf die Straße setzte. »Ich war aber nur drei Tage arbeitslos«, erzählt Sykosch, »denn das Gerät hatte schnell eine Panne und ich war der einzige, der die Operation durchführen konnte.« Im späteren Verlauf seiner erfolgreichen Karriere sollte er noch etwa 8.000 Eingriffe dieser Art durchführen.
Gerade die Herzschwäche ist eine immer häufigere Erkrankung: Zwar könnenmittlerweile mehr Menschen nach einem Herzinfarkt gerettet werden – der Preis fürs Überleben ist allerdings die Herzschwäche. »Jeder Infarktpatient, der überlebt, ist ein neuer Kandidat für Herzinsuffizienz«, erklärt Richard Stern, ärztlicher Leiter des Zentrums für Herzinsuffizienz am Jüdischen Krankenhaus Berlin. Weitere Ursachen einer Herzschwäche können ein jahrelang erhöhter Blutdruck oder Erkrankungen der Herzklappen, die den Herzmuskel belasten, sein. Die Folge: Das Herz schafft die geforderte Leistung nicht mehr. Zunächst spürt der Patient Atemnot oder Ermüdung bei körperlicher Belastung, später auch in Ruhephasen oder nachts. »Der Patient ringt nach Luft und das ist eine enorme Beeinträchtigung seiner Lebensqualität«, sagt Richard Stern. Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Herzschwäche, jedes Jahr werden 260.000 stationär behandelt.
Deshalb wurde vor drei Jahren das Zentrum für Herzinsuffizienz im Jüdischen Krankenhaus gegründet: »Um ein längeres Leben mit weniger Krankheit bei höherer Lebensqualität zu bieten«, sagt Richard Stern. Bei jedem Patienten muss erst sorgfältig geprüft werden, welche Ursachen die Herzinsuffizienz hat, ob eine medikamentöse Therapie eingeleitet oder optimiert werden kann und, falls diese nicht hilft, ob die Implantation eines Herzschrittmachers – oft in Kombination mit einem Defibrillator gegen den plötzlichen Herztod – indiziert ist.
Der Herzschrittmacher zählt heute zu den großen Erfolgsgeschichten der Medizin. Seit zehn Jahren gibt es auch die Resynchronisationstherapie (CRT): Dabei wird ein Gerät implantiert, das die unkoordinierte Leistung des Herzens wieder normalisiert (siehe Infokasten). »Sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenserwartung der Patienten konnte dank dieser Innovation um ein Vielfaches verbessert werden«, erklärt Stern. Allerdings ist die Operation komplizierter als die Implantation eines klassischen Herzschrittmachers. Sie wird in spezialisierten Zentren wie dem des Jüdischen Kranken-
hauses durchgeführt. Diese Spezialisierung im Bereich der Herzinsuffizienz verschaffte dem Haus einen sehr guten Ruf. Patienten kommen nicht nur aus Berlin, sondern auch von außerhalb. Jedes Jahr organisiert Stern im Berliner Centrum Judaicum ein Herzinsuffizienzsymposium.
Bei Edward Altmann hat Stern vor drei Jahren ein CRT-System mit Defibrillator implantiert. »Es war für mich wie eine Neugeburt« schwärmt der 66-Jährige. Heute kann Altmann wieder alles unternehmen, was ihm früher Spaß gemacht hat: »Zum Beispiel wandern, auch in über 2.000 Metern Höhe.« Wenn die Patienten ihre frühere Lebensfreude wiederfinden – das sei für ihn das allerschönste, berichtet Richard Stern: »dann schicken sie mir Ansichtskarten aus Israel oder aus der Mongolei, weil sie so glücklich sind, dass sie wieder verreisen können.«