Herr Kishon, Sie sprechen exzellentes Deutsch. Wie kommt das?
kishon: Ich habe Veterinärmedizin studiert. In Israel gab es damals noch keine Fakultät dafür. Da bin ich eben in Gießen zur Uni gegangen. Später habe ich in Heidelberg promoviert und in Mannheim in einer Kleintierpraxis gearbeitet.
International bekannt wurden Sie, als Sie im Golfkrieg 1990 Gasmasken für Hunde und Katzen entwickelten. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
kishon: Hundebesitzer kamen zu mir und sagten: »Schön, uns schützt der Staat, wir erhalten alle Gasmasken. Aber was passiert im Falle eines Angriffs mit unseren Hunden?« Ich habe daraufhin einen Kit zusammengestellt, der nicht nur eine Gasmaske enthielt, sondern auch Beruhigungstabletten, Futterkonzentrate und Antibiotika gegen Anthrax.
Die irakischen Raketenangriffe damals haben Sie zusammen mit Ihrem Vater, dem Autor Ephraim Kishon, erlebt.
kishon: Ja, in der Nacht, als die ersten irakischen Raketen fielen, saßen wir alle im Haus meines Vaters im Vorort Afeka zusammen. Heute wohne ich dort. Wir hatten Angst. Am Anfang des Krieges hatte man gehofft, dass nichts passiert. Und plötzlich wurde der Terror Wirklichkeit. Und heute? Da droht uns der iranische Präsident mit Vernichtung und die Welt schaut zu und ist kein bisschen geschockt! Wenn man das mitkriegt, begreift man plötzlich, wie es geschehen konnte, dass das jüdische Volk in Europa fast vernichtet wurde und der Rest der Welt das einfach geschehen ließ. Eigentlich befindet sich Israel heute in einer ähnlichen Situation.
Sie sind geborener Tel Aviver. Könnten Sie auch woanders leben?
kishon: Nein. In den letzten Jahren habe ich die Stadt kaum verlassen, abgesehen von ein paar Tagen Urlaub am Toten Meer. Und im Ausland war ich schon seit fünf Jahren nicht mehr. Manchmal gehe ich mit meiner Freundin abends ins Kino. Danach setzen wir uns an den Strand, trinken ein Bier und tun so, als wären wir in Rio. »Ach wie schön ist es hier an der Copacabana! Wo haben wir in Israel solche Strände und so ein gutes Bier und solche schönen Frauen?«
Ist Jerusalem keine Konkurrenz?
kishon: Ich möchte wirklich keinen Ärger mit dem Tourismusministerium bekommen. Ja, Jerusalem ist unsere ewige Hauptstadt, es ist eine wundervolle Stadt und jeder Tourist sollte dorthin fahren. Aber ich möchte dort nicht leben. Für mich ist Jerusalem eine Stadt voller Hass: Hass zwischen Religionen, den Völkern und sogar Hass zwischen den Juden untereinander, den Ultraorthodoxen und den Säkularen. Jerusalem symbolisiert das Alte, das Religiöse, das Traditionelle. Tel Aviv symbolisiert das zionistische, das neue, das säkulare Israel. Das Beste an Jerusalem ist die Autobahn nach Tel Aviv.
Warum ist in Tel Aviv keine Straße nach Ihrem Vater Ephraim Kishon benannt?
kishon: Die Stadtverwaltung hat uns einmal gefragt, ob wir damit einverstanden wären, dass eine Straße nach unserem Vater benannt wird. Wir haben natürlich zugestimmt. Aber dann haben sie uns die kleinste Straße, die sie finden konnten, vorgeschlagen. Sie hatte noch nicht einmal einen Namen, nur eine Nummer! Also habe ich denen geschrieben, dass diese Straße sicher sehr geeignet sei, um sie nach einem unbekannten anarchistischen Lyriker zu benennen, der während seines Lebens zwei dünne Bändchen Poesie veröffentlicht hat, doch meinem Vater wird das nicht gerecht.
Welche Straße würden Sie vorschlagen?
kishon: Im Zentrum Tel Avivs gibt es die Allenby-Straße. Am Ende macht sie einen Knick und führt dann hinunter zum Meer. In seinem berühmten Film »Der Blaumilchkanal« erzählt mein Vater die Geschichte von dem Verrückten, der genau dort beginnt, die Straße mit einem Pressluftbohrer aufzureißen. Dieses letzte Stück der Allenby-Straße sollte man nach Ephraim Kishon benennen.
Das Gespräch führte Christian Buckard.