Die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig», tönt die warme kräftige Stimme mit rollenden R-Lauten am anderen Ende der Leitung. Wer eine erste Frage telefonisch an die jüdische Gemeinde der Messestadt wendet, hat meist Klaudia Krenn am Apparat. Klaudia Krenn begrüßt in Leipzig nicht nur Gäste. Sie organisiert, archiviert, recherchiert und informiert. Wer mit seinem Anliegen persönlich vorbeikommt, wird von der rührigen Frau mit den dunklen Locken und der runden Brille freundlich lächelnd empfangen.
Klaudia Krenn, geboren 1949, zog der Liebe wegen von Berlin nach Leipzig und arbeitet seit 1998 in der Jüdischen Ge-
meinde. Obwohl ein Großteil aller Anfragen über ihren Tisch läuft – sie vermittelt, schreibt, telefoniert oder kümmert sich um die Post – erledigt also viele Büroarbeiten, möchte sie sich nicht als Sekretärin bezeichnen. Eine vornehme «Empfangsdame» sei sie aber erst recht nicht, sondern schlicht eine «Gemeindeangestellte». Interessant und abwechslungsreich sei ihre Aufgabe.
Fulltimejob Volle 40 Stunden pro Woche kümmert sie sich nicht nur um Anfragen von außen, sondern weiß auch über vieles innerhalb der Gemeinde Be-
scheid. So führt Klaudia Krenn beispielsweise die Datenbank der 1.300 Gemeindemitglieder, nimmt Anträge zur Aufnahme in die Gemeinde entgegen und kümmert sich um Teilnehmer für Seminare und Ferienlager der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt). Zudem kann sie als gelernte Dolmetscherin vielen Gemeindemitgliedern, die aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion stammen, mit ihren Russischkenntnissen helfen. «Die meisten sind sehr dankbar für die Hilfe in ihrer eigenen Sprache», beobachtet sie. So übersetzte sie jüngst einem Mann aus der Gemeinde die deutschsprachige Anleitung zur Onlinebuchung eines Fluges, damit dieser zu seiner Tochter nach London reisen konnte.
Außerdem lernt Klaudia Krenn Hebräisch, spricht Spanisch und Englisch. Letzteres nützt ihr gerade bei einer schon sechs Monate andauernden Korrespondenz mit einer Jüdin auf Hawaii, die Informationen über ihre Vorfahren aus Leipzig sucht. Zum Zwecke der Familienforschung betreut Klaudia Krenn auch das Gemeindearchiv. Meist rufen ehemalige Leipziger an, die Gräber ihrer Verwandten suchen oder Ahnenforschung betreiben. Sie hilft ihnen gern bei der Recherche, weil sie selbst die Schwierigkeiten dabei kennt: «Oft sind viele Papiere geraubt oder verloren gegangen. Außerdem ist es schwer, wenn in der Familie wenig gesprochen wurde.» Als Tochter jüdischer Eltern, die beinahe alle Familienangehörigen verloren haben, konnte Klaudia Krenn ihre Familiengeschichte nur bis zur Urgroßmutter mütterlicherseits verfolgen.
dokumentarin Ein zweites Archiv, in dem alle Artikel aus den Leipziger Printmedien beispielsweise auch über die Gemeinde, Israel oder antisemitische Vorfälle gesammelt werden, hat sie selbst angelegt. Manch ein Besucher hat schon Unterlagen aus dem eigenen Fundus für die Dokumentation mitgebracht, darunter wahre Schätze. In Kürze wird der Briefwechsel zwischen dem ehemaligen Vorsitzenden der Gemeinde, Egon Gollomb mit einem Schriftsteller erwartet. Ein anderes Mal gab jemand ein altes Werbeplakat ab, auf dem für einen jüdischen Tanzabend Reklame gemacht wurde. Der Text war in einem bunten Mix aus Deutsch, Jiddisch, Hebräisch und Romanes verfasst.
Außerdem vermittelt Klaudia Krenn Kontakte oder Informationen aus den Ar-
chiven: «Manchmal rufen Schulen an, die im Religions- oder Geschichtsunterricht nach Spuren jüdischer Geschichte suchen.» Hin und wieder leistet die Gemeindeangestellte auch Zuarbeit für wissenschaftliche und literarische Texte. «Einmal habe ich in einem Buch dann meinen Namen in der Danksagung gefunden, darüber habe ich mich gefreut», erinnert sie sich.
Ungebetene Gäste oder antisemitische Vorfälle sind Klaudia Krenn noch nicht untergekommen. «Wenn ein merkwürdiges Schreiben in der Post ist, melden wir es dem Staatsschutz», sagt sie. Manchmal sei ihr ein wenig komisch, wenn ein Brief ohne Absender ankommt. «Meiner Meinung nach sollte man aber nicht panisch reagieren», sagt sie.
visionärin So schnell bringt Klaudia Krenn nichts aus der Ruhe und gelassen schaut sie auch in die Zukunft. Seitdem im Mai dieses Jahres das Ariowitsch-Haus in Leipzig als Zentrum für Jüdische Kultur eröffnet hat, welches zwar zur Gemeinde gehört, aber von einem eigenen Verein betrieben wird, bündeln sich bei ihr nicht mehr so viele Anfragen. Bis zur Rente möchte sie in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig arbeiten. Sie könne sich aber vorstellen, dass sie einige Aufgaben auch noch darüber hinaus weiterführen würde, sagt Klaudia Krenn. Das Telefon klingelt, sie muss weitermachen.