von Johannes Boie
Kaum ein Thema beherrscht die Titelseiten rund um die Welt derzeit so stark wie die Ökologie. Klimareporte, Umweltberichte und CO2-Debatten bahnen sich ihren Weg in die politische Agenda. Auch auf interreligiösen Konferenzen ist Umweltschutz ein wichtiges Thema geworden. Doch jüdische Vertreter fehlen dort bislang (vgl. Jüdische Allgemeine vom 1. Februar).
»Bei dem Thema erwischen sie mich auf dem linken Fuß«, gibt der Geschäftsführer der Synagogengemeinde in Köln, Benzion Wieber, offen zu. Weil das Thema in aller Munde ist, will Wieber demnächst bei einem internen Jour fixe umweltschonende Techniken und Maßnahmen zur Diskussion stellen. »Da müssen die Haustechniker dabei sein«, sagt er. Für die wird das Thema nicht neu sein: In der Kölner Gemeinde benutzt man seit mehreren Jahren Energiesparlampen. Allerdings nicht der Nachhaltigkeit wegen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen: Umweltbewusstsein bedeutet in vielen Fällen, Geld zu sparen. »Wir benutzen auch grundsätzlich keinen Standby-Modus bei Elektrogeräten«, sagt Wieber. Je größer eine Einrichtung ist, desto größer ist ihr Einsparpotenzial. Und so ist es fast immer die Wirt- schaftslage, die zum umweltfreundlichen Arbeiten zwingt. Größere Investitionen wie zum Beispiel Solarzellen stehen nicht auf der Agenda – aus Geldmangel.
Auch in Regensburg denkt man beim Stromsparen eher ans Geld als an die Umwelt. »Bei uns ist es verboten, die Computer über Nacht angeschaltet zu lassen«, sagt Gemeindevorstand Michail Russakowski. »Das tun wir aber, weil es uns wirtschaftlich hilft«, gibt er zu. Ganz anders arbeite der Rabbiner der Gemeinde, Daniel Morag. Der weise die 500 Mitglieder auf die Verbindung von Religion und Umweltschutz hin. »Was schlecht ist für die Natur, ist auch schlecht für uns«, zitiert Russakowski den Rabbiner.
Erkundigt man sich bei Mirjam Goldberg von der Israelitischen Kultusgemeinde in Hof/Saale nach dem Umweltschutz in ihrer Gemeinde, so sagt sie: »Wir verwenden keine Plastikteller.« Nach weiteren Maßnahmen gefragt, denkt sie kurz nach. »Wir machen doch gar keinen Schmutz.« Ihre Einstellung scheint typisch, besonders für kleinere Gemeinden: Wir sind insgesamt nur ein paar hundert Menschen.
»Meine Chefs«, klagt die Mitarbeiterin einer jüdischen Einrichtung, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, »sind an Umweltschutz völlig uninteressiert.« Sie kritisiere intern seit Jahren Zustände, die teuer und umweltschädlich seien: Sie erzählt von »25 Grad, die in den Geschäftsräumen über das ganze Wochenende herrschen« und immer eingeschalteter Beleuchtung. »Energiesparlampen«, seufzt sie, »die Chefs wissen gar nicht, was das ist!«
Ruth Röcher, Religionslehrerin der jüdischen Gemeinden in Sachsen und Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, ist überrascht von der Frage, wie es in ihrer Gemeinde um den Umweltschutz bestellt sei. »Leider ist das Ganze bei uns nicht vorhanden«, sagt sie nach längerem Nachdenken. Manchmal spreche sie zwar mit ihren Schülern im Unterricht über die Verantwortung des Menschen für die Welt. »Aber unsere Kinder haben so viel nachzuholen auf dem Gebiet der jüdischen Religion, da habe ich mich beim Thema Umweltschutz bisher immer auf die Schulen verlassen.« Im Gemeindehaus, fällt Röcher noch ein, versuche man an Strom und Heizung zu sparen – aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen. »Und wir trennen den Müll. Aber das tun alle bei uns in der Stadt.«
Auch Rachel Grossbach, die die Geschäfte der jüdischen Gemeinde in Kassel führt, fällt beim Thema Umweltschutz die Mülltrennung ein, die in den Gemeinderäumen eingehalten werde. Sie betont: »Das machen nicht alle.«
Im Düsseldorfer Jugendzentrum zum Beispiel tut man es nicht. Hier werden ungefähr 50 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren betreut. Über Umweltschutz lernen sie bislang nichts. »Mit kleinen Kindern reden wir nicht über ernste Themen«, sagt Jugendbetreuer Yarden Lahad. Unter der Woche seien alle Computer im Standby-Modus. Er habe bislang nie über das Thema nachgedacht. Nach den Medienberichten der vergangenen Wochen wolle er sich aber informieren – und einiges ändern. »Wir werden es den Jugendlichen nahebringen«, verspricht er.
Seine Kollegin in Aachen, Jeny Rolovam, berichtet zwar von der Mülltrennung als Beitrag zum Umweltschutz, doch man müsse Prioritäten setzen, sagt die 19-jährige Jugendleiterin. »Erst mal kümmern wir uns um die Kinder, wenn dann noch Zeit bleibt, können wir auch mal über die Umwelt nachdenken.« Vor allem in sozialen Einrichtungen haben die Mitarbeiter genügend mit Geldmangel und ihrer Aufgabe an sich zu kämpfen – Umweltschutz bekomme hier zu Recht einen weniger wichtigen Stellenwert, so Rolovam.
Wie es trotzdem gehen kann, zeigt der Masorti-Kindergarten von Rabbinerin Gesa Ederberg in Berlin. Dort werden Kinder auf religionspädagogischer Ebene über Ökologie und Naturschutz aufgeklärt. »Das Einbeziehen von Umweltschutz ist Ausdruck eines respektvollen Umgangs mit Gottes Schöpfung«, erklärt Ederberg. Ihrer Meinung nach sei dies selbstverständlicher Teil eines modernen, verantwortungsbewussten Judentums. Eine Lehre, die an anderen Orten noch gelernt werden muss.