von Benjamin Weinthal
Über 30 amerikanische Gewerkschaften haben sich Mitte Juli in einer gemeinsamen Erklärung für die Solidarität mit Israel ausgesprochen. Hintergrund waren die Forderungen mehrerer britischer Gewerkschaften, darunter die University and College Union (UCU), Israel zu boykottieren (vgl. Jüdische Allgemeine vom 7. und 28. Juni). In einer »Protesterklärung gegen die Ausgrenzung und den Boykott Israels« verurteilen die US-Gewerkschaften die britischen Boykottforderungen scharf. Darin heißt es: »Angesichts der Vielzahl an lokalen, regionalen und internationalen Konflikten und der vielen unterdrückerischen Regimes auf der Welt, über die der Mantel eines fast einhelligen Schweigens gebreitet ist, sollten wir die Motive in Frage stellen, einem einzigen Land eine solche Sonderstellung zu geben.«
Der Aufruf wurde von dem 1934 in New York gegründeten Jewish Labor Committee initiiert. Angeschlossen haben sich ihm unter anderem die United Auto Workers (UAW), die Transportarbeitergewerkschaft und die Vereinigung der Schwarzen Gewerkschafter. Mit von der Partie sind auch die großen Gewerkschaftsverbände AFL-CIO (American Federation of Labor) und »Change to Win«. Die teilnehmenden Gewerkschaften vertreten insgesamt über 13 Millionen amerikanische Arbeitnehmer.
Stuart Appelbaum, der Präsident des Jewish Labor Committee, sagt: »Wir fordern die Gewerkschaften in Deutschland und in anderen Ländern, die an einen echten Frieden in Nahost glauben, auf, sich uns anzuschließen, um die Boykottbeschlüsse zu verurteilen.« Laut Appelbaum hätten solche Beschlüsse »keinen anderen Zweck, als Israel zu dämonisieren«.
In der Tat wäre es interessant zu erfahren, wie die deutschen Gewerkschaften sich in dieser Debatte verhalten, in einem Land, wo ein Israel-Boykott zumindest ungute Assoziationen an den Slogan »Kauft nicht bei Juden« wecken müsste. Der Präsident des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, ist laut seinem Pressesprecher Axel Brower-Rabino- witsch im Urlaub und daher für eine Stellungnahme nicht verfügbar. Auf der DGB-Sitzung am 20. August stünde das Thema nicht auf der Tagesordnung, so Brower-Rabinowitsch. Er gehe »davon aus, dass wir uns von diesem Boykott distanzieren werden«.
Auch bei den Einzelgewerkschaften des DGB steht ein Beschluss gegen den britischen Israel-Boykott derzeit nicht auf dem Programm. Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagte der Jüdischen Allgemeinen, die Boykottdiskussion der UCU sehe »anders aus, als sie in der amerikani- schen Kritik dargestellt wird«. Dennoch spricht sich Thöne strikt gegen Boykotte aus und betont die gute Zusammenarbeit mit der israelischen Partnergewerkschaft.
Detlev Bruse, Leiter des Bereichs Europäische und Internationale Politik bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, sagt: »Die Diskussion um die Bewertung der britischen Gewerkschaften hat uns noch nicht erreicht.« IG-Metall-Pressesprecher Georgios Arwanitidis war ebenfalls nicht über die Boykott-Diskussion informiert, betonte aber: »In einem Boykott sehen wir keinen Weg der Kritik gegenüber Israel.«
Nikolaus Simon, Geschäftsführer der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, findet deutlichere Worte: »Dieser Boykott ist absolut inakzeptabel.« Er lobt den amerikanischen Beschluss gegen die Boykottaufrufe der britischen Gewerkschaften als »ehrenwert«. Angesichts der breiten Unterstützung, die der Beschluss durch die amerikanischen Gewerkschaftsverbände erfuhr, fügt Simon hinzu, er sehe »keinen Grund, warum wir das nicht auch machen sollten«. Bisher allerdings gibt es in Deutschland keinerlei Unterstützung der Gewerkschaften für den amerikanischen Beschluss.