Herr Schuster, fünf Jahre Bauzeit, nun ist es endlich geschafft, wie fühlen Sie sich?
schuster: Ich freue mich, denn von dem, was jetzt vor uns steht, haben wir fast 13 Jahre lang geträumt. Die Planung begann ja nicht erst mit dem ersten Spatenstich vor fünf Jahren. Und es war mir am Anfang überhaupt nicht klar, ob das Projekt zu realisieren ist. Wir sind zwar am Ziel angekommen, aber jetzt geht die Arbeit eigentlich erst richtig los. Wir merken auch den Erwartungsdruck, der von der nichtjüdischen Öffentlichkeit hier in der Region kommt. Es wird noch einiges an Arbeit und Kraft kosten. Aber ich denke, dieses Gebäude zu sehen, zu kennen und zu wissen, ist schon allein die Droge, die man braucht, um das alles gut leisten zu können. Im vergangenen Jahr habe ich erleben können, wie sehr Gemeindevorstand und Mitarbeiter des Hauses motiviert sind. Ich sehe der Sache hoffnungsfroh entgegen.
Die ersten Neubaupläne gehen bis in das Jahr 1993 zurück. Das war die Zeit, als die ersten Zuwanderer kamen. Wie sind die neuen Gemeindemitglieder am Projekt beteiligt?
schuster: Unsere neuen Mitglieder waren von Anfang an in das Projekt eingebunden. Unter anderem bei unserem musealen Vorhaben: Stichwort die Grabsteine aus der Pleich, die die Grundlage des musealen Bereichs bilden. Sich mit den Grabsteinen zu befassen, hieß für sie auch, sich mit der Geschichte der Gemeinde zu befassen und sich mit ihr identifizieren zu können. Das Museumsprojekt hat sie in die Tradition der Gemeinde mitgenommen. Die neuen Mitglieder stellen auch einige der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die sich dann auch als Museumsführer betätigen werden.
Am 23. Oktober wurde das Gemeindezentrum Würzburg, am 9. November wird das in München eingeweiht. Zufall?
schuster: Die zeitliche Nähe ist zufällig und wiederum auch nicht. Am 4. Oktober 2000 hat die bayerische Staatsregierung den Bewilligungsbescheid zur finanziellen Beteiligung an beiden Neubauvorhaben erteilt. An diesem Tag gab Ministerpräsident Edmund Stoiber Erklärungen zu den Vereinbarungen mit der IKG München, dem Landesverband und der IKG Würzburg für die beiden Neubauvorhaben ab. Daß wir jetzt auch so kurz hintereinander die Zentren eröffnen, ist aber ein Zufall.
Ist diese zeitliche Nähe auch ein Ausdruck des pulsierenden jüdischen Lebens in Bayern?
schuster: Es ist sicherlich auch Ausdruck dessen, daß jüdisches Leben in Bayern wieder einen größeren Stellenwert bekommen hat. Hinzu kommt, daß – ohne der Meinung von Frau Knobloch vorgreifen zu wollen – wir beide sehr bewußt Gemeindezentren haben, die sich auch nach außen darstellen und die jüdisches Leben als festen Bestandteil der Region und der Stadt sichtbar machen wollen.
Das Würzburger Gemeindezentrum nennt sich »Shalom Europa«, heißt also einen ganzen Erdteil willkommen. Denken Sie internationaler als andere jüdische Gemeinden?
schuster: Der Name hat zwei Hintergründe. Zum einen haben wir von den Grabsteinen gelernt, daß es im 12. und 13. Jahrhundert bereits sehr enge Beziehungen der Jü- dischen Gemeinde Würzburg zu den benachbarten europäischen Staaten gab. Auf der anderen Seite haben wir in Zusammenarbeit mit der Ronald S. Lauder Foundation eine Jugendtagungsstätte integriert, die als Seminarzentrum für jüdische Jugendliche sowohl aus dem Bundesgebiet, wie auch aus dem benachbarten europäischen Ausland gedacht ist. Somit hat der Name Shalom Europa einen doppeldeutigen Hintergrund, die Historie und die Zukunft.
Was haben die Stadt und die jüdische Gemeinde Würzburg an sich, daß ausgerechnet hier ein solcher Jugendschwerpunkt gesetzt wird?
schuster: Auch das hat zwei – eher pragmatische – Gründe. Als die Überlegungen zu einem Begegnungszentrum aufkamen, hatten wir in der Gestalt des ehemaligen Altenheims den notwendigen Raum zur Verfügung. Zum zweiten sind wir in Würzburg verkehrsmäßig sehr gut angebunden, egal ob per Autobahn, Zug oder Flugzeug.
Wie werden Sie das Zentrum nutzen, wer trägt die Verantwortung?
schuster: Für die Jugendtagungsstätte gibt es eine Vereinbarung mit der Lauder Foundation, die uns mit einer Million US-Dollar auch gefördert hat. Sie hat das Recht, 80 Tage im Jahr die Tagesstätte räumlich zu nutzen. Dabei bekommen wir nur die tatsächlich entstehenden Kosten erstattet, erhalten aber keine Raummiete mehr. Über diese 80 Tage hinaus hat die Jüdische Gemeinde die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen das Zentrum auch an andere Interessenten zu vermieten. Lehava war einmal da, wir hatten Veranstaltungen des Landesverbandes, wir hatten ein Jugendseminar aus dem Bereich Oberrat Baden. Dabei trägt der Veranstalter die Verantwortung für die Seminare. Wir achten allerdings darauf, was im Hause geschieht. Das Zentrum ist Bestandteil der traditionell geführten jüdischen Gemeinde Würzburg, und daher legen wir Wert auf entsprechendes Verhalten. Wenn jemand am Freitagabend eine Beatparty veranstalten will, das geht nicht.
Mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Würzburg sprach Heide Sobotka.