György Konrád

Ein Stadtneurotiker in Budapest

von Wolf Scheller

Wie schon sein 2005 erschienener Roman Sonnenfinsternis auf dem Berg ist auch György Konráds neues Buch Kalligaro eine autobiografische Konfession, die den Bogen seines Lebens über Krieg, Schoa, kommunistische Diktatur und Wendezeit bis in unsere Tage spannt. Kalligaro, Konráds Alter Ego, begegnet uns in rund 200 Erzählungen als Flaneur im Erinnerungskosmos des 74-jährigen Autors, immer wieder unterbrochen durch Reflexionen über den Sinn einer Existenz, die sich in ironischer Selbstbehauptung übt, in der Beobachtung eines Lebens, das von den schlimmsten Erfahrungen des vorigen Jahrhunderts gezeichnet ist.
Wie sein Autor wird Kalligaro 1953 von der Universität verwiesen, heiratet zehn Jahre später zum zweiten Mal und wird unter dem Kádár-Regime zum Dissidenten. Er darf zwar mit Frau und Tochter als Stipendiat in den achtziger Jahren nach Berlin und New York, bleibt aber nach seiner Rückkehr in Budapest unter Schreibverbot und andauernder Überwachung. »Wenn jemand Globalist ist, dann der normale Schriftsteller, denn er hat die Weltliteratur als lebendiges Erbe erhalten«, heißt es an einer Stelle.
Weltstoff und Wirklichkeitsfülle kommen in diesem Buch ebenso zu ihrem Recht wie die Liebe und die Macht des Denkens. Kalligaro als Jongleur einer »groß angelegten Lebensstrategie«, ein Stadtneurotiker, der in Buda und Pest von einem Café zum anderen wandert, ein Vagabund, der als Betrachter und Beobachter seinen Lebensraum vermisst. Vielleicht haben wir es hier tatsächlich mit einem »artistischen Selbstversuch« zu tun, wie uns der Klappentext weismachen will. Der Verzicht auf lineares Erzählen, die hohe Kunst Konráds, Bilder und Szenen aus der Erinnerung hervorzurufen, die oft ins Skurrile und Bizarre reichen – darin liegt die eigentliche Stärke dieses Schriftstellers. Wenn Konrád am Ende seinen Wiedergänger Kalligaro bei einer Trauerrede auf einen Freund im Nachbargrab »bis zu den Knien im lockeren Boden« versinken lässt, dann lesen wir bereits im Nachklang das Finale: »Sein Leben ist ein gegen die Politik gerichtetes gewesen …« Das ist zwar nicht gerade schön formuliert, aber um wiederum Konrád zu zitieren: »Vielleicht mehr als nichts …«

györgy konrád: das buch kalligaro
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007,
292 S., 22, 80 €

Berlin

Schimon Stein: Jüdisches Leben in Deutschland bleibt bedroht

»Der Schutz des jüdischen Lebens ist zum deutschen Mantra geworden«, so der Ex-Botschafter

 23.10.2024

Schloss Meseberg

Scholz dankt Katar für Vermittlung im Nahost-Krieg

Das Emirat ist Vermittler, gilt aber auch als Terror-Finanzier

 23.10.2024

Nahost

Baerbock macht sich in Beirut Bild der Lage

Die Außenministerin warnt vor »völliger Destabilisierung« des Libanon

 23.10.2024

Nahost-Krieg

London schränkt Waffenexporte nach Israel ein

Staatssekretärin Anneliese Dodds spricht von einer Begehung mutmaßlicher Kriegsverbrechen

 23.10.2024

Video

Was Sinwar kurz vor dem Überfall auf Israel machte

Die israelischen Streitkräfte haben Videomaterial veröffentlicht, das Yahya Sinwar am Vorabend des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 zeigt

 20.10.2024

Gaza

100.000 Dollar für jede lebende Geisel

Der Unternehmer und ehemalige Sodastream-CEO Daniel Birnbaum hat den »guten Menschen in Gaza« ein Angebot gemacht

 20.10.2024 Aktualisiert

Feiertage

Chatima towa, oder was?

Was von Rosch Haschana über Jom Kippur bis Sukkot die korrekte Grußformel ist

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  24.10.2024 Aktualisiert

Baden-Württemberg

Jüdisches Mosaik in Karlsruhe beschädigt

War es ein Unfall, Vandalismus oder eine gezielte Tat?

 15.10.2024

80. Jahrestag

Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an ermordete KZ-Häftlinge

Auch mehrere Kinder und Enkel von Opfern nahmen teil

 14.10.2024