von Christine Schmitt
Die Gottesdienste sind so gut besucht, dass Beter kaum mehr Platz in der Synagoge finden. Es gibt zwei Rabbiner, die Jugendlichen bilden täglich einen Minjan im Mosse-Zentrum in Wilmersdorf und müssten nicht mehr zum Gebet nach Mitte fahren: So sehe sein Wunsch für die Zukunft in zehn Jahren aus, sagt Mario Marcus, Vorsitzender von Masorti Berlin, des Vereins zur Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens.
Eine blühende Gemeinschaft von Juden in der Mitte zwischen Reform und Orthodoxie – das ist die Vision, mit der sich die Teilnehmer des Masorti-Schabbatons unter anderem beschäftigten. Mit den etwa 60 Gästen aus dem In- und 30 aus dem Ausland kam am vergangenen Wochenende bereits viel zusätzliche Aktivität in die Synagoge Oranienburger Straße und ins Masorti-Zentrum.
Eine Teilnehmerin drückt ihre Hoffnung aus, dass es immer so lebendige Gottesdienste wie am vergangenen Freitagabend geben möge. »Ich hatte das Gefühl, ich sei in Israel«, sagt auch das Berliner Gemeindemitglied Miriam Rosengarten. Neben Vorträgen zu halachischen Fragen und über Kaschrut und Ethik gibt es neben einem geschichtlichen Abriss der Entwicklung Masortis auch Platz für viele Diskussionen. Die Gesprächsrunde über Zukunftsprojekte, Träume und Ideen ist der letzte Programmpunkt am Sonntag.
Dabei werden Wünsche nach einem Sommercamp und nach mehr Jugendarbeit laut. Ferner meinen einige, dass die Gemeinden mehr deutsch- und russischsprachige Materialien bräuchten. Auch gebe es zu wenig Rabbiner. Marguerite Marcus von Masorti Berlin wünscht sich eigene Studentenheime. Wenn sie ihre Kinder in orthodoxe Einrichtungen schicke, weil Masorti nicht über entsprechende Angebote verfüge, dann würde ihnen dort eine Frauenrolle vermittelt werden, mit der sie nicht einverstanden sei. Daniel Katz, Gemeinderabbiner aus Weiden, setzt sich dafür ein, dass Frauen gleichberechtigt behandelt werden, dass sie auch mehr Hebräisch und die »Breite des Judentums« lernen können. Rabbinerin Gesa Ederberg meint, eine bessere Vernetzung sei erstrebenswert: »Wenn Amerikaner nach Berlin kommen, nehmen sie oft vorher schon Kontakt mit uns auf und fragen nach Gottesdiensten.« Das würde sie sich auch andersherum wünschen. Man solle sich überall wie zu Hause fühlen, sagt die Rabbinerin. Dieses Gefühl haben auf jeden Fall Joanna Kubar, Vizepräsidentin von Masorti Europa aus Nizza, und Rabbiner Tzvika Graetz, Geschäftsführer von Masorti Olami, der aus Jerusalem angereist ist. Sie stellen fest, dass viele Einheitsgemeinden in Deutschland orthodox ausgerichtet seien, aber Berlin ein seltenes Beispiel dafür ist, dass eine Einheitsgemeinde mit verschiedenen Strömungen möglich sei.
Chana Karmann-Lente berichtet, sie sei dabei, in Hamburg eine Masorti-Gemeinschaft aufzubauen. Etwa 20 Interessierte gebe es dafür bereits. »Da ist so ein Schabbaton natürlich gut«, sagt sie. Denn hier lerne sie viel dazu. Zum ersten Mal ist Elisabeth Gross aus Heilbronn an einem derartigen Wochenende mit dabei. Sie würde sich als liberal bezeichnen und hatte sich bislang noch nicht so viel mit Masorti beschäftigt. In Heilbronn bestehe die Ge-
meinde aus etwa 100 Mitgliedern, die in einer gemieteten Wohnung zusammenkommt und »leider nur an den Hohen Feiertagen« von einem Rabbiner besucht werde. Ihr hat das Schabbaton sehr gut gefallen, und mit vielen Anregungen fahre sie wieder nach Hause.
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