von Sabine Demm
Was fühlen junge Juden in Deutschland? Diese Frage stellten sich Konstanzer Studenten der Kommunikationswissenschaft und machten sich auf die Reise durch das Land, um junge Juden in Wort und Bild zu porträtieren. Herausgekommen ist eine beachtete Ausstellung, die derzeit im Frankfurter Museum Judengasse zu sehen ist.
Eine, die nicht befragt wurde, ist die 16-jährige Jüdin Hannah Peaceman. Und dennoch hat sie etwas zu sagen über »Jüdische Jugendliche in Frankfurt am Main in der ersten Generation nach dem Holocaust«. Die 160 Seiten starke Arbeit über dieses Thema ist der beeindruckende Beitrag, den die Schülerin aus Mainz für den diesjährigen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten eingereicht hat. Ende Oktober wird entschieden, wer ihn gewinnt.
Auch wenn sie »derzeit mit Religion nicht viel am Hut« habe, setze sie sich mit ihrer eigenen Identität auseinander. »Das Thema hat mich natürlich beschäftigt, weil ich selbst jüdisch bin und dies damals eine ganz besondere Zeit war«, erklärt das sympathisch lächelnde Mädchen, deren Mutter Deutsche und Vater US-Amerikaner ist.
Grundlage ihrer Arbeit sind hauptsächlich Gespräche mit Zeitzeugen, allen voran die Frankfurter Schriftstellerin Petra Kunik. Ihre Eltern hatten die Schoa versteckt in Magdeburg überlebt und waren nach dem Krieg nach Frankfurt gezogen.
Die Haupterkenntnis aus Hannahs Arbeit: Die jüdischen Jugendlichen wollten nach dem Krieg »nach Israel auswandern. Sie waren von den grausamen Erlebnissen der Eltern geprägt.« Nach dem Krieg bildeten Juden eine geschlossene Gesellschaft, die sich weitgehend von den deutschen nichtjüdischen Mitbürgern abgrenzte. »Freundschaften und vor allem Liebesbeziehungen zu ›Deutschen‹ waren verpönt«, erklärt Hannah. »Deshalb habe ich meine Arbeit unter den etwas provokanten Titel ›Im Gefängnis der Freiheit‹ gestellt. Die Juden konnten zwar leben wie sie wollten, isolierten sich aber selbst.«
Dementsprechend erfolgte auch die Erziehung völlig abgegrenzt. In Frankfurt gab es zwei Angebote, das 1958 gegründete jüdische Jugendzentrum und die Zionistische Jugend Deutschlands (ZJD), die ab 1959 aktiv wurde. »So gut wie alle jüdischen Jugendlichen waren in einer der Gruppen organisiert. Ziel beider war die Auswanderung nach Israel.« Die ZJD betrieb politische Arbeit und bereitete die jungen Juden auf das Leben in Israel vor, im Jugendzentrum ging es mehr um Freizeitgestaltung.
Für Hannah, die in Deutschland geboren und vollkommen in die Gesellschaft integriert ist, stellt sich die Frage einer Auswanderung heute nicht mehr. Ihr Jüdischsein sei fast kein Thema mehr, meint die 16-Jährige. Zwar gebe es vereinzelt noch immer die überraschten Reaktionen: »Du bist Jüdin? Wie fühlst Du Dich dann hier in Deutschland?«. Doch das Jüdischsein rücke schnell in den Hintergrund und dann sehen alle nur noch Hannah, ein ganz normales deutsches Mädchen.
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