von Matthias B. Krause
Von all den Milliardären, die sich seit neuerem für die englische Premier League inter- essieren, ist der amerikanische Geschäftsmann Randy Lerner der Unauffälligste. Seine Übernahme des Traditionsklubs Aston Villa in diesem Sommer für 93 Millionen Euro war bei weitem nicht so heiß umstritten wie ein ähnlicher Schachzug seines Landsmannes Malcom Glazer. Der mußte ein Jahr lang kämpfen, ehe ihm 2005 die Kontrolle über Manchester United sicher war. Und so zwielichtig und geheimnisvoll wie der russische Milliardär Roman Abramowisch, der den Chelsea F.C. seit 2003 besitzt, ist der 44 Jahre alte Lerner erst recht nicht.
Nur mit Geld hätte er auf den kauzigen Besitzer Aston Villas ohnehin kaum Eindruck gemacht. Doug Ellis, 82, hatte bei dem Klub aus Birmingham seit 38 Jahren das Sagen – und erlaubte sich mit dem Interessenten von jenseits des großen Teiches sogleich einen Scherz. Er werde der Übernahme der Aktienmehrheit nur zustimmen, wenn Lerner als sein Untergebener antrete, beschied er dem Bewerber. Der verdutzte Amerikaner wußte zunächst nicht, was er davon halten sollte und flog unverrichteter Dinge zurück nach Cleveland, wo er die Cleveland Browns besitzt, die in der National Football League (NFL) spielen. Doch so schnell gab er nicht auf – und außerdem hatte Ellis tatsächlich nur gescherzt.
Inzwischen sagt der zum Ehrenpräsidenten ernannte Ellis: »Ich preise Mr. Lerner von ganzem Herzen. Es gab fünf Konsortien, die an Aston Villa interessiert waren, aber ich wußte immer, daß er der richtige Mann sein würde – und das hat sich als hundertprozentig korrekt erwiesen.« Nicht eines seiner Versprechen habe er gebrochen, schwärmte Ellis weiter, außerdem seien der Geschäftsmann und seine Partner von Beginn an nicht nur sehr warmherzig gewesen, sondern verstünden auch etwas vom Fußball und dessen Tradition. Als Lerner sich dann zum Saisonauf- takt im renovierungsbedürftigen Stadion blicken ließ, sangen die 42.000 Fans gar ein Loblied auf ihn. Der Milliardär war gerührt: »Die Menge meinen Namen singen zu hören, war so nett, ich möchte mich sehr bedanken. Das ganze Spiel hat mir ein schönes, warmes Gefühl beschert. Es unter- streicht, warum ich so glücklich bin, mich in den englischen Fußball mit solch einem großartigen Team einzukaufen.«
Bleibt abzuwarten, wie lange die junge Liebe hält. Genau genommen ist die Liebe gar nicht so jung. 1982 studierte der Nachfahre russischer Juden in Cambridge mittelalterliche Geschichte. Nach einem Jahr kehrte er nicht nur gebildeter zurück, sondern auch mit einer großen Zuneigung zum englischen Fußball, insbesondere zum Arbeiterklub Aston Villa. Vielleicht, weil sie sich ein bißchen ähnlich sind, die beiden Regionen, die Lerner am besten kennt. Die Leute, die bei den Browns in Cleveland ins Stadion strömen, sind ebensolche Bergarbeiter und Stahlwerker wie die in Mittelengland, die sich für Villa begeistern.
Ein Stück weit setzte Randy Lerner sich ins gemachte Nest. Seine Großeltern waren aus Rußland nach New York ausgewandert, in Brooklyn und dann in Queens betrieben sie ein Süßigkeiten- und Tabakwaren-Geschäft. Ihr Sohn Al schlug sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch, später versuchte er sich beim Militär, als Möbelverkäufer und Immobilieninvestor. Schließlich gründet er die Bankholding MBNA mit, eine Firma, die sich darauf spezialisiert, Kreditkarten für ausgewählte Gruppen herauszuge- ben. Anders als die Konkurrenz verschickt MBNA nicht Massenbriefsendungen, sondern bietet gezielt den Mitgliedern von Automobilklubs, Standesvereinigungen und anderen Organisationen Plastikgeld zu besonders günstigen Konditionen an. Das Konzept ging auf. In den 90er Jahren ist Al Lerner in den Kreis der amerikanischen Milliardäre aufgestiegen.
Sein Sohn Randy begibt sich in dessen Fußstapfen, leitet zunächst die Europa-Abteilung von MBNA, übernimmt später das Geschäft und nach dem Tod seines Vaters Al im Jahr 2002 auch die Cleveland Browns. In der Geschäfts- wie in der Sportwelt gilt er als kluger, zurückhaltender Manager. Wie erfolgreich er damit ist, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. »Sports Illustrated« bezeichnete Lerner kürzlich als einen der hoffnungsvollen Nachwuchstalente unter den NFL-Besitzern, die in der Liga künftig eine Führungsrolle übernehmen könnten. Die Lokalzeitung »Cleveland Plain Dealer« vergab für Lerner nur eine magere Note vier.
Zu lange habe er gezögert, um den erfolglosen Trainerstab umzukrempeln. Obwohl die Saison noch jung ist, liegen die Browns im Kampf um den Superbowl schon wieder aussichtslos zurück. Kritiker merken zudem an, daß das Cleveland-Team, seit die Lerner-Familie 1998 die Kontrolle übernahm, nur in einer einzigen Saison mehr Siege einfuhr als Niederlagen. Unter anderem, beklagen sie, sei die Führung nicht willens, genügend Geld zu investieren, um eine siegreiche Mannschaft zusammenzukaufen. Solange die Stadien voll sind und die Fernsehgelder fließen, läßt es sich finanziell gesehen schließlich auch am unteren Ende der Tabelle ganz gut leben. Absteigen kann man in der NFL ohnehin nicht, sie ist wie McDonalds als Franchise organisiert.
Nun befürchtet man in Cleveland, daß der Besitzer der Browns, der sich ohnehin nur selten blicken läßt und meistens in New York bleibt, seine Aufmerksamkeit ganz auf sein neues Projekt in England richtet, auch finanziell. Der Fußball-Klub braucht ein neues Stadion, bessere Akteure. Das alles kostet Geld und Lerner hat bereits angedeutet, daß er bereit ist, zu investieren. Allerdings keine Unsummen, er ist eher jemand, der auf eine langsame Entwicklung setzt statt auf den einen großen Sprung nach vorne. Und so sehr seine Leidenschaft für den englischen Fußball bei der Kaufentscheidung eine Rolle gespielt haben mag, am Ende muß auch für ihn die Rechnung stimmen.
Dabei sieht er vor allem bei der Vermarktung der TV-Rechte noch Ertragspotential. Kurzfristig jedoch muß er dafür sorgen, daß die Fans wieder zu Aston Villa strömen wie in den guten alten Tagen. Wenn sie dann am Ende der Spielzeit immer noch Loblieder auf ihn singen, hat er tatsächlich alles richtig gemacht.