So bescheiden und schüchtern Walter Benjamin im privaten Umgang auch war, so hat er doch nie an der bleibenden Bedeutung seiner »verzettelten Schreiberei« gezweifelt. Als habe er die Katastrophe kommen sehen, die in seinem Selbstmord in Südfrankreich auf der Flucht vor den Deutschen 1941 kulminierte, hinterlegte er seine sorgfältig geführten Einzelarchive bei Freunden und Bekannten. Wenn eine »bombensichere Unterbringung« in einer »Stahlkassette« schon nicht möglich war, so wollte der Philosoph das Risiko eines Verlustes durch diese gezielte Aufteilung des Materials doch möglichst gering halten. Die meisten der verstreuten Dokumente – darunter Korrespondenzen, unzählige Notizen, Entwürfe, Manuskripte, Fotoserien – wurden 2004 im Walter-Benjamin-Archiv der Berliner Akademie der Künste zusammengeführt. Die Wahl Berlins als endgültiger Standort des Walter-Benjamin-Archivs ist durchaus nicht selbstverständlich, hatte der von den Nazis in den Selbstmord Getriebene doch bereits 1932 verfügt, daß der gesamte handschriftliche Nachlaß samt Korrespondenz an seinen in Jerusalem lebenden Freund Gerschom Scholem gehen solle. Wichtige Dokumente wollte Benjamin ferner der Universitätsbibliothek in Jerusalem überlassen.
Dank der am 2. Oktober eröffneten Ausstellung Walter Benjamins Archive. Texte, Bilder, Zeichen ist es nun erstmals möglich, durch Teile der Archive zu flanieren und sich dabei Arbeitsweise und Denken des Kulturwissenschaftlers schrittweise anzunähern. Die Ausstellung ist Teil eines vom »Zentrum für Literatur- und Kulturforschung« organisierten Benjamin-Festivals vom 17. bis 22. Oktober in Berlin unter dem Titel »NOW. Das Jetzt der Erkennbarkeit«. Der besondere Charakter des Festivals zeigt sich nicht nur in der internationalen Beteiligung vieler Künstler und Wis- senschaftler, die sich mit der Aktualität von Benjamins Werk befassen. Die Veranstalter möchten auch Benjamins Konzeption des »ergänzendes Denkens« insofern aufnehmen, als die unterschiedlich sten Festivalbeiträge miteinander korrespondieren und ein Kaleidoskop an Benjamin-Relevanz darstellen sollen. Wer weder das Festival noch die Ausstellung besuchen kann, dem sei der bei Suhrkamp erschienene ausgezeichnete Ausstellungskatalog Walter Benjamins Archive. Bilder, Texte, Zeichen empfohlen. Christian Buckard
www.benjamin-festival-berlin.de