Sie ist oft hier gewesen. Hat Vorträge gehalten, Führungen und Kurse durchgeführt und viel dazu beigetragen, dass das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) früh mit dem Expressionismus in Berührung kam: Rosa Schapire, Kunstkritikerin, Förderin des Expressionismus und besonders der Künstlergemeinschaft »Die Brücke«, deren passives Mitglied sie war. Nun hat das MKG ihr mit Rosa. Eigenartig grün. Rosa Schapire und die Expressionisten eine umfassende Ausstellung gewidmet – 70 Jahre, nachdem sie Hamburg auf dem Seeweg Richtung England verlassen hat, gerade noch rechtzeitig. Von ihrer Familie hat niemand sonst überlebt.
Rose Schapire, 1874 im damals österreichischen, heute ukrainischen Brody geboren, studiert Kunstgeschichte, promoviert als eine der ersten Akademikerinnen in Deutschland, findet in Hamburg ihren Lebensmittelpunkt und knüpft hier ein engmaschiges Netz zwischen Künstlern, Kritikern, Mäzenen und Museumsleitern. So dicht wie die Gardinenschnüre, die in der Ausstellung von der Decke bis auf den Boden hängen und Raum für kleine Nischen schaffen, in denen die Daten ihres Lebens und die der Künstlergruppe »Die Brücke« erzählt werden. Die Wände der eigentlichen Ausstellungskabinette sind in Aubergine und Grün gehalten, getreu einer Notiz Aby Warburgs: »Frl. Schapire benimmt sich eigenartig grün.« Zu sehen sind viele Bilder von Karl Schmidt-Rottluff, mit dem Rose Schapire zeitlebens eine enge Freundschaft verband. Ein weiterer Höhepunkt sind diverse gestaltete Postkarten, die ihr befreundete Maler aus ihren Urlauben schickten. Dazu gesellt sich Malerei, wie Otto Müllers Mädchen im Grünen oder Franz Radziwills Dame mit Hut. Kunst, die heute zum Kanon der Klassischen Moderne gehört, vor und während der Weimarer Zeit die Gemüter erregte und von den Nazis als »entartete Kunst« aus den Museen entfernt wurde.
Seltsam leer bleibt die Ausstellung jedoch, geht es um die unmittelbare Person Rosa Schapire. Bemerkt wird nur, dass sie keine Kinder hatte, nie verheiratet war und nie eine feste Stelle annahm. Doch wie genau sich ihr Leben gestaltete, wie sie besonders die Jahre 1933 bis 39 überstand, bleibt in der Ausstellung unklar. Nur im begleitenden Katalog kann es teilweise nachgelesen werden. 1933 bedeutet für Schapire das Ende ihrer wissenschaftlich-pub- lizistischen Laufbahn. Sie kann kaum noch veröffentlichen, erhält zeitweilig Besuchsverbot in den Hamburger Museen, ist nun im Jüdischen Kulturbund tätig. Nur der enge Kontakt zu den bürgerlich-hanseatischen Kreisen verhindert, dass ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wird. »Auch nach dem Kriege hat Frl. Dr. Schapire durchaus im besten Sinne national und deutsch gewirkt«, bescheinigt ihr etwa der 2. Vorsitzende des Hamburger Kunstvereins im Frühjahr 1933.
Nachzulesen ist dies in einem extra Raum, getaucht in blaues, kaltes Licht. Hier erfährt der Besucher auch, wie akribisch und brutal die nationalsozialistische Hamburger Finanzbehörde vorging, um sich das Eigentum derer zu sichern, die verfolgt wurden: Als Rosa Schapire Anfang August 1939 in London ankommt, hat sie gerade 10 Reichsmark in der Tasche. Glücklicherweise konnte sie einen Teil ihrer Sammlung vorher ins Ausland bringen.
Dokumentiert sind auch die Versuche Rosa Schapires, nach 1945 wenigstens für das ihr geraubte Hab und Gut finanziell entschädigt zu werden, für die beschlagnahmten Drucke von Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel etwa, die 1941 im Hamburger Hafen verscherbelt wurden. Brief auf Brief wechselt, immer wieder muss sie begründen, wie sich die von ihr genannten Summen zusammensetzen – bis sie im Februar 1954 in London 79-jährig stirbt. Noch einmal zwölf Jahre wird es dauern, bis das Amt für Wiedergutmachung ihrem Neffen die Summe von 40.300 D-Mark anweist: für die Auswanderungskosten und für »Schaden im beruflichen Fortkommen«. Frank Keil-Behrens
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