Jugendarbeit

Ein bißchen Spaß muß sein

Die Aachener Gemeinde hat heute etwa 1.500 Mitglieder. Von ihnen sind etwa 250 im Alter von fünf bis 25 Jahren. Vor einem Jahr kamen zu den Sonntagstreffen zwei bis drei Kinder. Bis jetzt konnten wir die Teilnehmerzahl auf etwa 15 bis 20 Kinder steigern. Damit erreichen wir nur etwa zehn Prozent aller Jugendlichen.
Man kann schon sagen, daß die jüdische Jugendarbeit schwerer geworden ist. Die jüdischen Kinder sind oftmals so in die deutsche Gesellschaft integriert, daß sie die jüdischen Organisationen als »sicheren Hafen« nicht mehr in dem Maße brauchen, wie ich sie noch gebraucht und genutzt habe.
Das größte Problem, das ich zur Zeit sehe, ist jedoch, daß die meisten Gemeindemitglieder die Tradition eines jüdischen Jugendzen- trums nicht kennen. Denn wenn ich als Kind ins Jugendzentrum gegangen bin, dann schicke ich auch mein Kind ins Jugendzentrum. Da dies in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nicht möglich war, fehlt diese Tradition. Als Konsequenz daraus versuchen wir jetzt, langfristig zu denken. Das heißt, wir beschäftigen uns vor allem mit kleineren Kindern im Alter von drei bis fünf und von sechs bis zehn Jahren. Die Eltern dieser Kinder sind noch sehr jung und sprechen sehr gut auf unsere Angebote an. Nur wenn die Kinder von Anfang an wissen, daß Sonntag »Jugendzentrumstag« ist, werden sie nicht weggehen. Und später werden aus ihnen Madrichim, Aktive in jüdischen Studentenorga- nisationen, Vorstände von Gemeinden.
Schwerer zu erreichen sind die Jugendlichen, die heute Teenager sind. Sie fühlen sich häufig nur von einem/einer charismatischen Jugendzentrumsleiter/in angesprochen. Gehen er oder sie, verlieren oftmals auch die Jugendlichen das Interesse. Die einzige Methode, die ich bisher gefunden habe, um diese Jugendlichen an das Jugendzentrum zu binden, ist, ihnen Verantwortung zu übertragen und ihnen die Möglichkeit zu geben, aktiv im Jugendzen- trum zu arbeiten. In Aachen fehlt darüber hinaus eine Studentenorganisation. Die Madrichim, die die Schule und damit auch oftmals das Jugendzentrum verlassen, gehen für die Gemeinde verloren, da sie nicht »weitergereicht« werden können.

* * *
Der Anfang war nicht so leicht, doch jetzt habe ich eigentlich ziemlich freie Hand für die Jugenarbeit in Dresden. Uns stehen drei Räume im neuen Gemeindezentrum am Hasenberg zur Verfügung. Größere Projekte machen wir meistens mit dem Landesverband zusammen und erhalten dabei sehr viel inhaltliche Unterstützung von der Religionslehrerin Ruth Röcher.
Das war allerdings nicht immer so einfach. Als ich vor etwa drei, vier Jahren mit der Jugendarbeit anfing, mußte ich immer fünf Stationen durchlaufen. Der Prozeß, eine Veranstaltung zu planen oder eine Idee zur verwirklichen, dauerte immer enorm lange, jeder mischte mit und jeder wollte etwas anderes. Das hat sich sehr gebessert, ich spreche jetzt meine Vorhaben mit der Vorstandsvorsitzenden Nora Goldenbogen und dem Geschäftsführer Heinz Joachim Aris ab, und dann läuft es. Die Jugendlichen nehmen das Angebot auch recht gut an. Wenn sie nicht gerade in einer wichtigen Prüfungsphase stecken, kommen sonntags durchschnittlich 20 Jugendliche.
Allerdings muß jedes Angebot mehr oder minder Eventcharakter haben: Spiele, Quizveranstaltungen, Theaterstücke. Sie möchten für die »Lerninhalte« immer eine nette Verpackung. Obwohl sie sich durchaus für Judentum und Israel interessieren, wollen sie darüber nicht auf den Spaß verzichten. Wenn es um die Vorbereitung zum Purimfest geht, bekomme ich viel Unter- stützung. Für Pessach jetzt habe ich mir Malbogen ausgedacht. Eine junge Frau hat Pessachrezepte aus aller Welt gesammelt. Einen reinen Schiur für die Jugendlichen werde ich wohl nie mit Erfolg anbieten können.
Für die Zukunft habe ich auch neue Pläne, ich wünsche mir mehr ernste Themen, mehr Religion, einfach mehr Judentum. Dazu wäre es schön, das wöchentliche Treffen auf Freitag verlegen zu können, um vielleicht den Schabbat mehr in das Angebot einbeziehen zu können und einen gemeinsamen Kiddusch zu feiern.
* * *
Denkt man an den Zustand der jüdischen Gemeinden in Deutschland, so fällt einem sofort das Stichwort Integration ein. Dabei war die Integration von Beginn an eine Utopie. Wie können 20.000 Gemeindemitglieder 80.000 Neueinwanderer integrieren? Ein Ding der Unmöglichkeit.
Anstatt die Integration in den Vordergrund zu schieben, muß es darum gehen, eine organisierte und aktive jüdische Jugend aufzubauen. Hat man dies erreicht, kommt die gewünschte Integration von selbst. Wir stehen nicht vor einem Problem im Spannungsfeld zwischen Alteingesessenen und Zuwanderern. Wer das aus der Praxis heraus behauptet, geht nicht kritisch genug mit sich selbst um. Viel mehr geht es um innovative Ideen innerhalb der Jugendarbeit. Das Ferienlager in Sobernheim ist heute für jeden, der mit zehn Jahren bereits drei Mal dort gewesen ist, kein Erlebnis mehr.
Mit dem Zuwachs an Gemeindemitgliedern sind auch die Interessen innerhalb der Gemeinden gewachsen. Genau da muß eine zukunftsgerichtete Jugendarbeit ansetzen. Filmabende, Sportveranstaltungen, Musik und Tanz müssen in den programmatischen Mittelpunkt gerückt werden, um überhaupt noch jüdische Jugendliche erreichen zu können. Ein Beispiel: Jährlich findet eine deutschlandweite Jugendeurovision statt, und jedesmal beteiligten sich mehr Gemeinden daran. Das Niveau der Live-Auftritte reicht an beliebte TV-Casting-Shows. Die Eurovisionsparty in Berlin hat es wieder gezeigt.
Und vor allem muß überregionale Zusammenarbeit von den Gemeinden und ihren Vorständen gefördert werden. Im Landesverband Baden gibt es kein regelmäßiges Programm innerhalb der einzelnen Gemeinden, dafür aber eine gut arbeitende JuJuBa (Jüdische Jugend Baden), die weit über 100 jüdische Jugendliche zusammenbringt. Und das ein Mal im Monat. In NRW setzen die Esch Community des Landesverbands Nordrhein mit den Jugendzentren Jachad Köln und Emuna Dortmund ebenfalls auf regionales Teamwork. Da werden mal die ersten jüdischen Fußballfanclubs gegründet, ein regionaler Talentewettbewerb ausgerichtet und Ferien für gemeinsame Fahrten ins Ausland genutzt. All dies mit Erfolg. Leider fehlt zudem ein funktionierender Nationalverbund, der die Arbeit auf Bundesebene koordiniert und regionale Projekte dadurch bereichert.
Neben der programmatischen Neuorientierung fehlt es den meisten Pro-
jekten am nötigen Know-how in Sachen Eigenwerbung. Ungepflegte Webauftritte, nichts aussagende Plakate und strategisch falsche PR erzeugen keine Aufmerksamkeit, eher das Gegenteil ist der Fall. Es entsteht Abneigung. Vorstände in Gemeinden und wohltätigen Organisationen halten die Jugend für so unwichtig, daß sie zumeist unerfahrene oder unprofessionell arbeitende Leute in die zentralen Positionen der Jugendarbeit setzen. Das ist der eigentliche Skandal.

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