Herr Schoeps, Sie und andere Experten haben im Innenausschuss des Bundestages einen Jahresbericht über Antisemitismus gefordert. Gibt es darauf schon Reaktionen vonseiten der Politik?
schoeps: Nein, bisher noch nicht. Bekanntermaßen mahlen die politischen Mühlen langsam. Ich hoffe aber sehr, dass es zu einer solchen Empfehlung kommt. Bei der Anhörung hatte ich den Eindruck, dass die Bundestagsabgeordneten dem Vorschlag wohlwollend gegenüberstehen.
Die Forderung wurde von jüdischer Seite gestellt. Meinen Sie wirklich, dass die Politik die Idee aufgreifen wird?
schoeps: Das wird sich zeigen. Ich kann nur meine Hoffnung formulieren. Es kommt da-rauf an, für wie wichtig die Politik das erachtet. Die Juden zumindest sehen das als dringend notwendig an.
Was könnte der Bericht bewirken?
schoeps: Er sollte auf jeden Fall von der Bundesregierung verantwortet werden. Aber es müssen unabhängige Experten beauftragt werden, diesen zu erstellen. Ich glaube nicht, dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz die richtigen Institutionen dafür sind. Es bedarf doch eher einer wissenschaftlichen Aufarbeitung.
Papier ist geduldig. Kann ein solcher Bericht überhaupt konkrete Folgen haben?
schoeps: Ich gehe davon aus, dass darin auch Empfehlungen ausgesprochen werden, was zu tun ist, wenn es um Präventionsmaßnahmen oder rechtliche Schritte geht.
Gehört dazu auch die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene?
schoeps: Das eine schließt das andere nicht aus. Mir kommt es aber erst einmal auf den Bericht an, den es in anderen europäischen Ländern schon gibt, aber eben nicht in der Bundesrepublik.
Derzeit erheben auch Juden immer lauter ihre Stimme gegen Antisemitismus und versuchen, ihn durch unterschiedliche Initiativen zu bekämpfen. Warum gerade jetzt?
schoeps: Diese Forderungen sind ja schon älter, sie werden seit Jahren vorgetragen. Ich bin ganz optimistisch, dass jetzt doch zumindest der Antisemitismusbericht kommt. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Mit dem Leiter des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums sprach Detlef D. Kauschke.