von Katrin Richter
Zwischen »dasselbe« und »das gleiche« besteht ein feiner Unterschied. Reichen zum Beispiel, wie am Dienstagnachmittag im Bundestag geschehen, die Fraktionen von CDU/CSU, der SPD, den Grünen und der FDP den im Wortlaut exakt gleichen Antrag zum 9. November ein wie die Partei Die Linke, dann ist das zwar der gleiche Antrag, aber noch lange nicht derselbe.
Obwohl er ursprünglich einmal als derselbe gedacht war. Dabei ist das der einzige gemeinsame Nenner, auf den sich alle Bundestagsfraktionen nach langem Hin und Her letztlich einigen konnten. Denn die CDU-Fraktion wollte den Antrag mit dem Titel »Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern« nicht mit der Linke-Fraktion zusammen einreichen. Der Grund: Die Linke und die DDR-Vergangenheit. »Die Linke muss das Verhältnis DDR-Israel-Antisemitismus klären. Es gibt noch viele offene Stellen,« sagt Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union.
In dem nun verabschiedeten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, ein Expertengremium von Wissenschaftlern und Praktikern zu beauftragen, das in regelmäßigen Abständen über antisemitische Vorkommnisse in Deutschland informieren und Vorschläge zu Gegenprogrammen entwickeln soll. Um aber doch noch ein letztes Quäntchen überfraktioneller Geschlossenheit zu demonstrieren, wurden die beiden Anträge von Bundestagspräsident Norbert Lammert zusammen verabschiedet.
»Der Bundestag hat damit in letzter Minute eine Blamage abgewendet,« sagt Petra Pau von der Linken dazu. Pau, die auch Vizepräsidentin des Bundestags ist, meint, wichtiger als die Resolution sei aber das Engagement derjenigen, die sich im Alltag einsetzen. Pau hatte die Parlamentarier zuvor in ihrer Rede dazu aufgefordert, mit dem Antrag souverän umzugehen. Den Vorwurf der CDU/CSU, die Die Linke in der vorausgegangenen Debatte um den Antisemitismusbeauftragten in eine antisemitische Ecke gestellte hatte, nannte Pau »infam«.
Jetzt, da der Antrag, der formal aus zwei textidentischen Anträgen besteht, beschlossene Sache ist, hofft Pau, dass »alle zur Vernunft gekommen« sind. »Die Dinge, die in dem Antrag umrissen sind, sollten nun auch in die Tat umgesetzt werden. Eine erste Gelegenheit dazu hat der Bundestag in der nächsten Haushaltsdebatte«, sagte Pau.
Vom Zentralrat der Juden in Deutschland war das Vorgehen der Union scharf kritisiert und eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen mehrfach angemahnt worden.
auszuklammern, scharf kritisiert. »Das ist die Auflösung der
Koalition gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus«, sagte Stephan
Kramer, Generalsekretär des Zentralrates, der »Berliner Zeitung« am
Freitag. Die Politiker sollten sich besinnen, forderte Kramer.Auch die Direktorin des American Jewish Committee Berlin, Deidre Berger, äußerte sich zu dem angenommenen Antrag positiv und nannte ihn einen »Meilenstein im Kampf gegen Antisemitismus.«