von Christine Schmitt
Als Edna Voss vor 14 Jahren die John-F.- Kennedy-Schule betrat, um den jüdischen
Grundschülern Religionsunterricht zu erteilen, war sie überrascht. Es gab weder eine Tora noch ein Siddur oder sonstige jüdische Bücher und Lehrmittel. »Ich habe bei Null angefangen.« Doch im Laufe ihrer Zeit als Religionslehrerin habe sie etliche jüdische Bücher, Poster und andere Unterrichtsmaterialien angeschafft. Vieles hat sie von ihren Reisen aus Israel mitgebracht. »Es wäre schrecklich gewesen, wenn alles, was ich hier aufgebaut habe, nicht mehr genutzt worden wäre«, sagt die 63jährige, die Anfang des Jahres in Rente gegangen ist und am vergangenen Freitag offiziell von den ehemaligen Kollegen verabschiedet wurde.
Mehrere Wochen lang herrschte Ungewißheit, ob eine Nachfolgerin gefunden werden könne. Doch inzwischen konnte Sarit Robert engagiert werden, die bereits ihre ersten Unterrichtsstunden absolviert hat. »Super«, fand sie ihre ersten Arbeitstage. »Jetzt bin ich wieder beruhigt«, sagt Edna Voss. Der Abschied falle ihr nach 14 Jahren sehr schwer. Ihr habe die Arbeit mit den Schülern viel Freude bereitet und ihr sehr viel bedeutet. »Ich habe mich bemüht, den Kindern mit viel Engagement und viel Liebe die Traditionen, Werte und Inhalte des Judentums nahezubringen.«
Zahlreiche Abschiedsbriefe hat sie nun bekommen. »Du warst für unsere Kinder eine wunderbare und wichtige Lehrerin und Freundin«, heißt es zum Beispiel. Alle Kinder hätten sich immer sehr auf die Stunden bei Edna Voss gefreut, schreibt eine Familie. Schabbat feiern, für die Challot sorgen, Kerzen anzünden – das gehörte für die Schüler zum Wochenablauf. »Sie haben eine tolle Stimmung geschaffen unter den jüdischen Schülern«, faßt eine andere Familie zusammen.
Edna Voss wurde in Israel geboren und ist dort aufgewachsen. Das Lehrerstudium nahm sie in Berlin auf – in der Geburtsstadt ihres Vaters, der 1933 nach Palästina emigriert war. Jahrzehnte später ging er nach Berlin zurück, und seine Tochter folgte ihm. Edna Voss wirkte als Lehrerin an mehreren Musikschulen und unterrichtete überwiegend Harmonielehre und Flötenspiel.
1992 wollten Eltern jüdischer Schüler der John-F.-Kennedy-Schule, daß wieder jüdischer Religionsunterricht angeboten wird. Lange Zeit hatte es keinen gegeben. Edna Voss wurde gefragt, ob sie sich diese Tätigkeit vorstellen könnte. Und sie konnte. 30 bis 55 Schüler betreute sie pro Schuljahr, und die JFK-Schule wurde ein zweites Zuhause für sie. Ebenfalls unterrichtete sie an der Heinz-Galinski-Schule. Die Arbeit und die Diskussionen mit Schülern und Lehrerkollegen empfand sie stets als ein geistiges Erlebnis.
»Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, daß Edna Voss nicht mehr an unserer Schule ist«, bedauert die Leiterin der Grundschule und Geschäftsführende Direktorin der JFK-Schule, Gudula Lennert-Fiebig. Mehr als 800 Schüler besuchen allein die Grundschule, insgesamt zählt die staatliche Schule in Zehlendorf etwa 1600 Schüler. 1960 wurde die deutsch-amerikanische Gemeinschaftsschule gegründet.
»Wir sind eine multikulturelle Schule, deshalb wollen und müssen wir auch den jüdischen Religionsunterricht anbieten«, sagt Lennart-Fiebig. Es gebe auch etliche nichtjüdischen Schüler, die zum jüdischen Religionsunterricht angemeldet werden, um mehr über diesen Glauben zu lernen. Sie bewundere Edna Voss, wie engagiert sie bei ihrer Arbeit gewesen sei, sagte die Direktorin. Mit viel Herz und Gefühl sei sie auf ihre Schüler eingegangen. »Wir sind traurig, und wir werden sie sehr vermissen.«
Edna Voss möchte nun zunächst ihre Ruhe genießen. In ihren vier Wänden wartet eine 3000 Bücher umfassende Bibliothek auf sie. Speziell die israelischen Autoren liest sie mit am liebsten. Außerdem hat sie sich vorgenommen, nun Jazz-Piano zu lernen. Regelmäßige Besuche in der Philharmonie hat sie sich schon im Kalender eingetragen. Ebenso geplant sind – diesmal außerhalb der Schulferien – Reisen nach Israel zu ihrer großen Familie. »Mein Mann und ich wollen endlich mal längere Zeit dort bleiben.«