von Tobias Kaufmann
Die Geschichte liest sich wie ein Krimi. Ein Minister der palästinensischen Regierung schmuggelt sich mit einem schwedischen Visum gegen den erklärten Willen der Bundesregierung nach Deutschland, um sich dort Politikern zum Gespräch anzubieten – und trotz Warnungen gehen drei Bundestagsabgeordnete auf das Angebot ein, das ihnen ein Mittelsmann überbringt. Sie treffen sich mit dem Palästinenser, heimlich, denn solange die Hamas Israels Existenzrecht nicht anerkennt, sind Vertreter der Hamas-Regierung in der Bundesrepublik offiziell nicht willkommen.
Das Brisanteste an der Geschichte ist, daß sie kein Krimi ist, sondern Realität. Der Minister heißt Atef Adwan, die Abgeordneten sind Detlef Dzembritzki (SPD), Hellmut Königshaus und Karl Addicks (FDP) und die Gespräche fanden durch Vermittlung eines Vertreters der Deutsch-Arabischen Gesellschaft statt – »unter Ausschluß jeglicher Öffentlichkeit diskret im abgelegenen Teil eines Restaurants«, wie Addicks in einem Brief an den saarländischen Landesverband der Deutsch-Israelischen Gesellschaft betont. Der Brief, der der Jüdischen Allgemeinen vorliegt, enthält einen Halbsatz, der das Treffen für die Bundesregierung besonders ärgerlich macht: »... das Auswärtige Amt war vorab informiert.« Königshaus bestätigte dieser Zeitung, er habe das Außenamt telefonisch in Kenntnis gesetzt, daß man einen Minister der palästinensischen Regierung treffen werde. Auf die Frage, ob das Auswärtige Amt, das wie die gesamte Bundesregierung Adwans Besuch ausdrücklich als unerwünscht bezeichnet hatte, gegen das Treffen interveniert habe, sagte Königshaus: »So weit sind wir nicht, daß ein Ministerium Abgeordneten Gespräche untersagt.«
Tatsächlich kann die Regierung Vertretern des Bundestags zwar keine Vorschriften machen – dennoch hat das Außenamt nach Informationen der Jüdischen Allgemeinen dem Abgeordneten seine ablehnende Haltung zu dem geplanten Gespräch ausdrücklich deutlich gemacht. Um so fragwürdiger ist es, daß Addicks dennoch eine Formulierung wählte, die den Anschein erweckt, das Außenministerium sei mit dem Hinterzimmergespräch in Berlin einverstanden gewesen.
Das Gegenteil ist offenbar der Fall. Außenamts-Sprecher Elmar Eich unterstrich im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen die europäische Haltung, keine Gespräche mit palästinensischen Regierungsvertretern zu führen, solange diese nicht die von der Europäischen Union formulierten Bedingungen erfüllt: Ende der Gewalt, Anerkennung Israels, Rückkehr zur »Roadmap«. Schon die Tatsache, daß Adwan trotz dieser Prinzipien Besuche in Schweden und Norwegen ermöglicht wurden, hatte die Bundesregierung kritisiert. Gegen Adwans Einreise sei alles unternommen worden, was in Zeiten offener Grenzen möglich ist.
Alle drei Abgeordneten haben nach zum Teil heftiger öffentlicher Kritik in dieser Woche bekräftigt, die europäischen Richtlinien nicht unterlaufen zu wollen. Man habe dem palästinensischen Vertreter die deutsche Haltung mitteilen wollen, sagte Dzembritzki. »Wir haben klargestellt, daß es keine Hilfszahlungen mehr gibt, wenn die Hamas nicht der Gewalt abschwört«, sagte Königshaus, der für das Thema Entwicklungshilfe in der Fraktion zuständig ist. Ob Adwan die Haltung der Abgeordneten in dem rund 25minütigen Gespräch akzeptiert hat, vermochten weder Addicks noch Königshaus zu beurteilen. »Er hat das zur Kenntnis genommen«, erklärte Addicks dieser Zeitung. Auf eine Diskussion habe man sich nicht eingelassen.
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, distanzierte sich dennoch von dem Treffen. »Auch wenn er gut gemeint war, so war der Versuch der drei Kollegen, Weltgeschichte schreiben zu können, in der Sache sicher nicht hilfreich«, sagte Niebel der Jüdischen Allgemeinen. Aus der SPD-Fraktion hieß es, es habe zwar kein »Tribunal« gegeben. Für den Nahen Osten zuständige Kollegen hätten aber mit Dzembritzki gesprochen. Und der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Ich bin zuversichtlich, daß sich so ein Treffen nicht wiederholt.«