Botanischer Garten

Durch die Blume

von Zlatan Alihodzic

Julian-Chaim Soussan steht da, wo für die Menschheit so vieles angefangen hat. Er greift langsam in die Luft, dreht seine Hand und möchte wohl gleich etwas pflücken. Doch der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf steht eben nur in Gedanken im Paradies, tatsächlich ist er umgeben von den Pflanzen des Botanischen Gartens der Heinrich-Heine-Uni. Und den Baum der Erkenntnis haben die Biologen hier nicht im Programm. Umringt von rund 40 Besuchern, erzählt Julian-Chaim Soussan in der Ausstellung »Bibelpflanzen« Geschichten über Pflanzen in der Tora.
»Wir versuchen in der Gemeinde immer wieder, den Mitgliedern Veranstaltungen zu präsentieren, bei denen sie den Rabbiner in einer anderen Rolle erleben«, erklärt Soussan den sonntäglichen Ausflug. »Im Botanischen Garten ist der Verdacht, dass man religiöse Leistungen erbringen muss, nicht so groß,«, sagt er. Auch glaube er nicht, dass sich die Meisten merken, was er erzählt. »Das Zusammensein ist wichtiger.«
Trotzdem steht Julian-Chaim Soussan wieder im Paradies und erzählt. »Der Baum der Erkenntnis, was war er? Ein Apfelbaum?« Diese Annahme gehe auf eine Bibelübersetzung aus dem 16. Jahrhundert zurück. Aber Apfelbäume habe es dort, wo man sich das Paradies vorstellt, gar nicht gegeben, erklärt Soussan seinen gespannten Zuhörern. Stattdessen habe es in Mesopotamien Feigenbäume gegeben. Und wenn sich Adam und Eva nach dem Erlangen der Erkenntnis mit einem Feigenblatt bedeckt haben, dann wohl deshalb, weil es ihnen nach dem Genuss der dazugehörigen Frucht am nächsten war. »Es gibt aber noch andere Theorien«, erwähnt Soussan, der schließlich noch auf ein weiteres wichtiges Kriterium aufmerksam macht: »Die Blätter sollten groß genug gewesen sein«.
Charmant neckisch führt der Rabbiner seine Gruppe durch die vom Menschen geschaffene Natur. Doch Soussan sieht die Führung durch den Botanischen Garten nicht nur als leichte Unterhaltung an. »Hier haben wir die Möglichkeit, von Dingen, von Pflanzen auszugehen, um zur Tora zu gelangen.« Sonst sei es immer umgekehrt, seien die Ausgangspunkte immer Torastellen. »Das ist das Spannende.«
Pflanzen spielen im Judentum eine besondere Rolle, hebt der Rabbiner hervor. »›Du sollst diese Erde beherrschen‹, sagt Gott.« Und so kommt Soussan ganz schnell zur Tora, zum Ackerbauern Kain und dem Viehzüchter Abel. »Für diejenigen, die meinen, Vegetarier seien friedlich: Der Pflanzenmensch bringt seinen Bruder um«, flachst der Rabbiner wieder. Die Zuhörer folgen ihm von den Pflanzen zu den Jahreszeiten, von Pessach zu Schawuot und schließlich zum Kalender der Muslime, den Soussan ebenfalls erklärt. Die Festtage des Islam seien, anders als die des Judentums, nicht an Jahreszeiten und den Zustand der Pflanzen gebunden.
Und so erzählt der 39-jährige Rabbiner und erzählt. Seine Intonation ist ungezwungen, sein Blick wandert ruhig von einem zum nächsten Zuhörer, und bald stehen sie alle mit dem Rabbiner im Paradies.
Ein Querschnitt der Gemeinde hat sich im Botanischen Garten getroffen. Selten trifft bei Veranstaltungen das abgenutzte Attribut »für Jung und Alt« zu – doch an diesem Sonntag gilt es tatsächlich. Die Eventmanagerin der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Vanessa Rothe, setzte den Rundgang ursprünglich für 18- bis 45-jährige Mitglieder an. Ihre Idee und die Aussicht auf einen Vortrag von Soussan sprengte aber schließlich die geplante Besucherzahl.
Dann folgt die Gruppe dem Rabbiner in einen Kuppelbau aus Glas, dem Kalthaus des Botanischen Gartens, wo sie der Myrte begegnen. Sie zählt zu den Arba Minim, den vier Arten, aus denen zu Sukkot der Feststrauß gebunden wird. Und bei dieser Gelegenheit erzählt der Rabbiner, wie die vier Pflanzen vier Typen von Menschen zugeordnet werden. Dann macht er einen Schritt, deutet auf ein Gewächs und sagt: »Das hier ist übrigens Lorbeer, kennen wir ja von Asterix und Obelix.« Und so schaukelt er weiter zwischen Anspruch und Unterhaltung.
Draußen vor dem Kuppelbau kommt die Gruppe zur nächsten Etappe der »Bibelpflanzen«-Austellung, die heute von der Jüdischen Gemeinde okkupiert wird. Rabbiner Soussan schaut sich ein Gewächs an. »Was haben wir da? Christdorn – den werden wir auslassen, der ist für die Kollegen«, sagt er und lacht.

Thüringen

Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern

Die mögliche Wahl des AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Landtags sorgt für Zündstoff. Zuletzt signalisierte die CDU von Ministerpräsident Mario Voigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der AfD

 24.01.2025

Erinnerung

Gedenken an ermordete Sinti und Roma Europas

Der 27. Januar ist seit 2005 internationaler Holocaust-Gedenktag

 23.01.2025

TV-Tipp

»Die Frau in Gold« - Helen Mirren und Ryan Reynolds kämpfen um Raubkunst

Drama um das jüdische Kunsterbe einer Familie aus der NS-Zeit

von Franz Everschor  23.01.2025

Kommentar

Die europäische Iran-Politik braucht eine Zeitenwende

Die Chancen, das Mullah-Regime zu schwächen und damit den Nahen Osten zu stabilisieren, sind mit der Präsidentschaft Donald Trumps gestiegen

von Remko Leemhuis  22.01.2025

Westjordanland

Israelische Armee führt Einsatz in Terrorhochburg Dschenin durch

Ministerpräsident Netanjahu zufolge soll damit der Einfluss des Irans geschwächt werden

 21.01.2025

Nahost

Ägypten schickt weitere Hilfe in den Gazastreifen

Rund 220 weitere Lastwagen wurden den Behörden in Kairo zufolge geschickt. Israel hat diesen Monat bereits 1693 LKW mit entsprechender Ladung für Gaza abgefertigt

 20.01.2025

Israel

Regierung will Geisel-Deal am Nachmittag bestätigen

Nach einem vorherigen Plan hätte die Bestätigung erst nach dem Schabbat erfolgen sollen

 17.01.2025

Berlin

Deutscher Appell an Israel und die Hamas

Das Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Deutschland ruft beide Seiten eindringlich zur Zustimmung auf

 17.01.2025

Israel

Sicherheitskabinett beginnt Sitzung zu Gaza-Deal

Voraussichtlich am Samstagabend muss noch die Regierung zustimmen

 17.01.2025