Dritte Halbzeit
Neonazis wollen Fußball-WM für Propaganda nutzen
»Die Welt zu Gast bei Freunden« lautet das Motto der Fußball-Weltmeisterschaft, die vom 9. Juni bis 9. Juli in Deutschland stattfindet. Neonazis wollen die Veranstaltung offenbar für eigene Botschaften nutzen. Nach Erkenntnissen von Verfassungsschützern will die Szene sich die Ausnahmesituation während der WM zunutze machen: große mediale Aufmerksamkeit einerseits und geringere Präsenz der Polizei, die in den Spielorten gefordert sein wird, andererseits. In der vergangenen Woche alarmierte der Berliner Tagesspiegel die Öffentlichkeit mit der Meldung, Neonazis wollten bewußt während der WM aufmarschieren und sich dabei mit dem Iran und seinem Präsidenten Ahmadinedschad solidarisieren. Dieser hat wiederholt den Holocaust geleugnet und zur Vernichtung Israels aufgerufen. Politiker und einige Fußballfunktionäre hatten als Reaktion den Ausschluß des Iran von der WM gefordert. Am 10. Juni soll es laut Tagesspiegel eine Neonazi-Demonstration in Gelsenkirchen geben, vier weitere seien zwischen dem 3. und 25. Juni in Thüringen angemeldet. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, zeigte sich »sehr besorgt über die geplanten Aufmärsche und Aktionen«.
Gerade im höheren deutschen Amateurfußball, den Regional- und Oberligen, sind rassistische und antisemitische Ausfälle einzelner Fan- und Hooligangruppen längst an der Tagesordnung. »Wir bauen eine U-Bahn von St. Pauli bis nach Auschwitz« skandierten beispielsweise Anhänger des Regionalligisten FC Chemnitz am vergangenen Wochenende bei einem Spiel in Hamburg. »Erst eine Stunde nach dem Schlußpfiff besteigen die Chemnitzer unter ›Hier marschiert der nationale Widerstand‹-Gesängen die von der Polizei angeforderten Sonderbusse«, schrieb Spiegel Online in einem Bericht über einen »ganz normalen Fußball-Samstag« in Amateurstadien. Verbindungen der oft als »unpolitisch« geltenden Hooliganszene in rechtsextreme Kreise werden regelmäßig nachgewiesen.
Daß auch die »offizielle« rechtsextreme Bewegung bei der WM punkten will, zeigt ein »WM-Planer« der NPD unter dem Motto »Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe – Für eine echte NATIONAL-Mannschaft« – versehen mit einem Bild des schwarzen Nationalspielers Patrick Owomoyela. Der Deutsche Fußball-Bund prüft rechtliche Schritte gegen die Partei. In einer Pressemitteilung hat die NPD zudem ausdrücklich Aktionen am 21. Juni in Leipzig angekündigt – dort spielt der Iran. Tobias Kaufmann