von Karl-Josef Müller
Etwa 20 Besucher sind an diesem Donnerstagabend im September in die Räume des Wetterauer Museums in Friedberg gekommen. Die Kuratorin Katharina Rauschenberger führt durch die Ausstellung »Fragmente jüdischer Geschichte in Friedberg«. Die Besucher, das sind in erster Linie Mitglieder des Friedberger Geschichtsvereins, die meisten von ihnen 50 und älter – kein junges Publikum, das sich an diesem Abend für die über 750-jährige Geschichte einer der bedeutendsten jüdischen Gemeinden auf deutschem Boden interessiert.
Man möchte das alltägliche Leben der Juden in Friedberg dokumentieren, aber auch etwas vom »Glanz dieser einstigen Hochburg jüdischen Lebens« sichtbar machen, erläutert Katharina Rauschenberger Konzept und Ziel der Ausstellung. Das spektakulärste Ausstellungsobjekt konnten die Ausstellungsmacher jedoch nicht nach Friedberg holen: die goldene Torakrone der früheren jüdischen Gemeinde. Sie musste im Jewish Museum in New York bleiben. Ihren Platz nimmt ein beeindruckendes Abbild ein. Mitarbeiter der Technischen Universität Darmstadt haben mithilfe modernster Computertechnik ein Hologramm von ihr gefertigt. Auf einem Bildschirm dreht sich der Kultgegenstand schwebend in der Luft, man meint, ihn anfassen zu können – eine digitale Il- lusion. So ist die Torakrone anwesend, und verbleibt doch an dem Ort, an den sie auf abenteuerliche Weise gelangt ist. Sie wird zum Zeichen für die unwiederbringliche Auslöschung und Zerstörung der jüdischen Gemeinde. Ebenfalls zerstört wurde 1938 die Synagoge in Friedberg, aber auch sie hat man, wie das ganze Judenviertel, auf dem Bildschirm rekonstruiert. Den Platz, auf dem die Synagoge bis zu ihrem endgültigen Abbruch 1939 stand, nimmt heute eine Gedenkstätte ein, versehen mit einer Inschrift, welche die damaligen Ereignisse beim Namen nennt: Die Synagoge wurde von SA-Horden in Brand gesteckt. »Große Teile der Bevölkerung und die Polizei schauten diesem Pogrom tatenlos zu«, heißt es auf der Gedenktafel.
Dass die 25 Meter tief gelegene vor beinahe 750 Jahren erbaute Mikwe nicht zerstört wurde, hat sie dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, zu verdanken. Er wollte untersuchen lassen, ob das Wasser eine therapeutische Wirkung hat. Auch sie ist heute wieder zu besichtigen.
Die Antworten auf die Fragen und Be- merkungen der Besucher bringen manch kurioses Detail über die letzten Jahre jüdischen Lebens in Friedberg zutage. Die beschädigte Torarolle etwa wurde in der Pogromnacht offenbar vom damaligen Ar- chivar in Sicherheit gebracht. Dieser war kein Widerstandskämpfer, sondern ein linientreuer Nationalsozialist, aber eben auch ein leidenschaftlicher Sammler.
Seit August kamen etwa 900 Besucher in die Ausstellung – damit liegt das Interesse deutlich über dem anderer Sonderausstellungen des Wetterau-Museums. Die Gäste seien aufgeschlossen und sehr interessiert, berichtet Gabriele Kögler, die regelmäßig Besuchergruppen führt, darunter auch Schulklassen, doch das Wissen über jüdisches Leben sei sehr begrenzt. Eine achte Klasse hatte noch nie etwas von der früheren jüdischen Gemeinde in Friedberg gehört, vielen Besuchern ginge es ähnlich, sagt Kögler. Man weiß um den Holocaust, nicht aber um das alltägliche jüdische Le- ben im eigenen Ort. »Die Juden sind doch die, die tot sind«, sagte einmal ein Kind aus einer Grundschulklasse bei der Besichtigung des Ritualbades.
Bis zum 23. August 2009 ist die Ausstellung zu sehen. Anschließend sollen die Exponate in eine Dauerausstellung an einem dafür geeigneten Ort, möglichst in der Nähe der Mikwe, unterbracht werden, wünscht sich der Geschichtsverein.
Die Ausstellung ist täglich geöffnet. Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat werden Führungen angeboten, auf Anfrage sind Gruppenführungen möglich.
www.friedberg-hessen.de