»Dieser Verdacht
ist nicht neu«
Niels Hansen über Menachem Begin und das Attentat auf Adenauer
Herr Hansen, der Journalist Henning Sietz behauptet, der spätere Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin sei 1952 persönlich an der Planung eines Attentats auf den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer beteiligt gewesen. Überrascht Sie das?
hansen: Dieser Verdacht ist weniger neu als Sietz es darstellt. Schon im April 1952 wird Begin in der Zeitung »Jewish Chronicle« mit dem Satz zitiert: »Meine politischen Freunde haben damit nichts zu tun.« Auch wenn dies natürlich nicht heißt, daß Begin die Wahrheit sagte, so zeigt es doch, daß es schon damals einen entsprechenden Verdacht gab. Sonst hätte sich Begin wohl kaum dazu geäußert.
Sietz unterstellt, das Thema sei tabuisiert worden. Deutsche Historiker hätten »Scheuklappen« getragen.
hansen: Das stimmt so sicher nicht. Bereits in einer authorisierten Adenauer-Biographie Mitte der fünfziger Jahre wurde das Attentat thematisiert, auch der damalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Nahum Goldmann, hat darüber gesprochen.
Warum wurde das Thema dann bisher eher am Rande behandelt, wenn es um deutsch-israelische Beziehungen ging?
hansen: Ganz einfach: Weil diese Episode nur eine Randerscheinung war. Ich zumindest sehe das so. Das gescheiterte Attentat hat die Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen nicht beeinträchtigt.
Aber derselbe Begin war später Ministerpräsident, ausgerechnet in der Phase 1977-1983, in der das deutsch-israelische Verhältnis merklich abgekühlt war.
hansen: Daß Begin Deutschland nicht besonders mochte, ist eine Binsenweisheit. Ich vermute sogar, daß sein Rücktritt Ende August 1983 in Zusammenhang mit dem Besuch des damaligen Kanzlers Helmut Kohl stand, der wenige Tage später stattfinden sollte. Einen Staatsempfang mit deutscher Hymne wollte Begin sich wohl nicht antun. Dennoch hatte ich als Botschafter sachliche Gespräche mit ihm. Ihm war nicht daran gelegen, das deutsch-israelische Verhältnis, das sich gut entwickelt hatte, wegen persönlicher Aversionen, die ich durchaus verstehen kann – beide Eltern wurden in der Schoa ermordet –, zu belasten, es sei denn, er wurde provoziert. Von Kohls Vorgänger Helmut Schmidt fühlte sich Begin offenbar provoziert. Das Attentat aber, egal ob Begin darin verstrickt war oder nicht, hat bei all dem nie eine Rolle gespielt.
Mit dem ehemaligen deutschen Botschafter in Israel (1981-85) sprach Tobias Kaufmann.