von Dirk Hempel
Der Raum ist gut gefüllt. Locker gruppiert sitzt man an Tischen, ißt ab und zu einen Schokoriegel. Dazu wird Wasser, Cola, oder Apfelsaft aus weißen Plastikbechern getrunken. Im Innenhof Vogelgezwitscher, eine idyllische Atmosphäre.
Die gemütliche Runde lauscht am Dien-stagabend in der Synagoge an der Joachimstaler Straße aber nicht den Vögeln, sondern dem Mann am Kopfende des Tisches. Es ist der orthodoxe Rabbiner Yitshak Ehrenberg. Er spricht über religiöse Fragen – über allgemeine und über konkrete. Es geht um die Parascha, also den jeweiligen Wochenabschnitt. Und darüber, welchen Bezug sie zur Haftara hat, den zum Wochenabschnitt passenden Text aus den Propheten.
Es geht also um Zusammenhänge, um Gleichnisse, um Interpretationen. Rabbiner Ehrenberg findet dabei auch scherzhafte Parallelen zur Gegenwart oder jüngsten Geschichte. Etwa wenn er sagt, die zwei von Joschua entsandten Kundschafter seien »von der Geheimpolizei, dem KGB also«, aufgehalten worden. Die Religion, so des Rabbiners Botschaft, verliert ihre Aktualität nicht. Damit spricht Ehrenberg auch die Politik dieser Tage an. Wer wichtige Werte aufgebe, sagt der Rabbiner, habe den Streit zwischen Theologie und Ideologie verloren. »Ein Sieg Israels ist deshalb ein juristischer Sieg«, erklärt Rabbiner Ehrenberg –eben weil der jüdische Staat wichtige Werte auch in schwierigen Situationen achte und einhalte.
Immer wieder kritzeln die Stifte der etwa drei Dutzend Zuhörer übers Papier, wenn der Rabbiner solche Grundsätze erläutert. Ab und zu wird untereinander getuschelt oder laut eine Frage gestellt. Denn der orthodoxe Rabbiner veranstaltet keine Ein-Mann-Show. Er will die Fragen hören und beantwortet sie gern. Rabbiner Ehrenberg will das Interesse für religiöse Fragen wecken und ausbauen, »die Leute voranbringen in allen wichtigen Fragen«, wie er selbst es formuliert. Auf entsprechende Nachfrage holt der Rabbiner auch mal zum Exkurs aus. Beispielsweise über das Seelenverständnis im Judentum oder über die Smechut-Konstruktion in der hebräischen Grammatik, je nach Bedarf.
Seit Mitte Juni lädt Rabbiner Ehrenberg zu dieser regelmäßigen Shiur. Und die Runde der Interessierten ist ziemlich heterogen. Alle Altersgruppen sind vertreten, die Frauen sind leicht in der Überzahl.
»Zur Shiur am Abend kommen ganz andere Leute als zu den täglichen Minjan«, freut sich Rabbiner Ehrenberg. Genau das ist seine Absicht. Ein zusätzliches Angebot zu schaffen für die Gemeindemitglieder, von denen ja längst nicht alle mit der Religion vertraut sind. In vielen Familien hätten Eltern und Großeltern zu wenig über die jüdische Religion weitergegeben. »Wir wollen erklären, warum und wie wir beten«, sagt der Rabbiner.
Ehrenberg will das Angebot noch weiter ausbauen. »Unsere Synagoge ist offen für alle«, betont er. Der Gemeinderabbiner weist die Synagoge in der Joachimstaler Straße als »Zentrale orthodoxe Synagoge Berlin« aus und hofft auf weiteren Zulauf. Neue Ideen, wie den Gemeindemitgliedern »mental und praktisch« die Religion nahegebracht werden kann, hat er bereits – will sie im Detail aber noch nicht verraten. Zunächst wird jedenfalls die Shiur-Reihe »Einführung in die Welt des Gebetes« fortgesetzt – bis zum 25. Juli jeden Dienstag, von 20.30 bis 22 Uhr.
Infos unter Tel.: 030 - 211 22 73