von Harald Neuber
Der Krieg findet nun nicht mehr nur in Israel oder Libanon statt. Mit dem Angriff auf den Sitz der Jüdischen Föderation in Seattle am vergangenen Freitag hat die Bedrohung jüdischer Organisationen weltweit ein neues Niveau erreicht. Zumal der 30jährige Schütze, ein gebürtiger Pakistani, angab, aus Wut auf Israel gehandelt zu haben.
Seit die Angriffe im Libanon zunehmend zivile Opfer fordern, wächst die Opposition gegen das Vorgehen Israels weltweit in rasantem Tempo. In Brüssel pro-
testierten am vergangenen Sonntag 5.000 Menschen gegen die andauernden Attacken – mehr als je zuvor seit Beginn der Operationen Mitte Juli. Der Protest stand unter dem Eindruck der Bombardierung des Dorfes Kana, bei dem am vergangenen Sonntag, zwei Tage nach dem Angriff in Seattle, 54 Zivilisten getötet wurden.
Sicherheitskräfte rechnen jedoch damit, daß sich der Protest nicht immer friedlich äußert. Nur einen Tag nach der Großdemonstration ging am internationalen Flughafen der belgischen Hauptstadt eine Bombendrohung gegen die israelische Fluglinie EL AL ein. Das Drohschreiben nahm direkten Bezug auf die Offensive der israelischen Armee im Libanon.
Während sogar jüdische Gemeinden in Australien von Übergriffen berichten, steigen auch in Deutschland die Sorgen vor politisch motivierten Attacken. Zu Beginn der vergangenen Woche hatte Stephan J. Kramer, der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, bereits auf eine »erhebliche Zunahme« der Drohungen gegen die Dachorganisation der hiesigen Gemeinden hingewiesen. Kramer verwies unter anderem auf Aufrufe islami-
stistischer Organisationen im Internet, »weiche Ziele« ins Visier zu nehmen, wie die Netzeitung berichtete.
Die Polizei in Berlin sieht den Schutz der jüdischen Institutionen in der Hauptstadt jedoch für gewährleistet. Bislang seien »keine Veränderungen« im Sicherheitskonzept vorgesehen, sagte Polizeioberkommissar Benedikt Scherlebeck auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen, da die Maßnahmen ohnehin schon »auf hohem Niveau« angesiedelt seien. Das Spektrum der Maßnahmen würde regelmäßig überprüft, versicherte Scherlebeck, wobei die internationale Lage ebenso Beachtung fände wie die Erkenntnisse über Bedrohungen im Land selbst.
Damit dürften zunächst die Mitglieder der schiitischen Hisbollah und der palästinensischen Hamas gemeint sein, von denen sich einige Hundert Mitglieder in Deutschland aufhalten. Darauf weist auch der Terrorismusexperte Georg Thamm hin: »Israel führt im Libanon einen asymmetrischen Krieg gegen die Hisbollah – und damit gegen eine nichtstaatliche Kraft«, sagte Thamm im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Weil in solchen Konflikten immer mit ungleichen Mitteln gekämpft werde, sei es nicht auszuschließen, daß auch in Deutschland zivile jü-
dische Institutionen ins Visier rückten.