Der schwule österreichische Moderator Bruno versucht, zwischen einem Israeli und einem Palästinenser zu vermitteln. Beide Herren sind sehr ernst, Bruno ist es auch. Sein Problem: Er verwechselt Hamas und Hummus. Als die beiden politischen Gegner den Moderator mit dem schweren alpenländischen Akzent über seinen Irrtum aufklären, finden sie für einen kurzen Moment zusammen. Zugleich wird die Hamas der Lächerlichkeit preisgegeben, ohne dass es die beiden würdigen Herren merken. In diesem kurzen Ausschnitt aus dem Film Brüno mit Sacha Baron Cohen (bei dem sein Jugendfreund Dan Mazer Regie führte), erkennt man den Humor Cohens. Er führt andere vor, indem er die von ihm erfundene Figur zuerst vorführt. In ihrer Helfergeste entlarven sich die Helfenden.
Sacha Baron Cohen, der neben Bruno noch die Figuren Borat und Ali G erfunden hat, war ein begabtes Kind. Mit acht Jahren gewann der Sohn eines britischen Schneiders und einer israelischen Mutter einen Aufsatzwettbewerb der London Times. Nach dem Schulabschluss und einem einjährigen Aufenthalt im Kibbuz Rosh Hanikra, studierte der 1971 in London geborene religiöse Jude in Cambridge. Seine Abschlussarbeit schrieb er über die Zusammenarbeit von Schwarzen und Juden in der US-Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre. Der junge Mann hätte ein respektabler Sozialwissenschaftler werden können.
Doch war sein Herz bereits an die Comedy verloren. Baron Cohen entwickelte, zunächst für das Fernsehen, die Figur Ali G, einen – tja, da wird es schwierig: Ist Ali G ein Weißer, der einen schwarzen Hiphopper imitiert? Ein »wirklicher« Schwarzer? Oder einfach nur ein Unterschichtdorf-trottel? Jedenfalls geht Ali G auf Prominente und Unbekannte los und konfrontiert sie aus seiner vermeintlichen Unbedarftheit heraus mit aufwühlenden Fragen. Die nicht selten mit versteckter Kamera Gefilmten reagieren oft erstaunt, aber auch bei den ungeheuersten Unverschämtheiten noch tolerant. Diese Toleranz macht sie zu Witzfiguren.
Immer wieder wurde von Kritikern versucht, Ali G einer ethnischen Gruppe zuzuordnen, Baron Cohen als Ali G feuerte diese Fragen an. Etwa wenn er, ohne sich ein schwarzes Gesicht geschminkt zu haben, bei Ablehnung fragt: »Is it ‹cause I is black?« In dem Streit, den schwarze und weiße Beobachter seither über die Figur führen, entlarven sich außerhalb der Leinwand und der Fernsehbildschirme wieder-um die alltäglichen Rassismen. Ali G ist zugleich aber für viele seiner Zuschauer auch ein Held, da er sagen darf, was dem politisch korrekten Mittelstandsjungen verboten scheint. Die Kunstfigur pflegt ihre Vorurteile stellvertretend für ihre Zuschauer, ist auch Identifikationsfigur.
Ähnlich verhält es sich mit dem liebenswürdigen Antisemiten Borat, der wohl bekanntesten Baron-Cohen-Figur. Borat, vorgeblich ein kasachischer Journalist, erzählt die unglaublichsten Dinge über sein Herkunftsland, hält Frauen für niedere Wesen und sieht im Juden die Wurzel allen Übels. In einer Szene des Borat-Spielfilms glaubt der angebliche Kasache, ältliche jüdische Gastwirte hätten sich in der Nacht in Kakerlaken verwandelt, um ihm etwas anzutun. In solchen Szenen wird einerseits Antisemitismus veralbert. Auf einen nicht geringen Teil der Zuschauer wirkt diese Form der Übertreibung allerdings nicht aufklärend – sie lachen einfach affirmativ über einen Idioten (Borat), und nicht über die eigenen Klischees.
Seit heute nun probiert Baron Cohen seine Methode als schwuler Österreicher in den deutschen Kinos. Wie schon im Borat-Film sind Amerikaner die Opfer seiner Sticheleien. Doch zeigen beide Filme, dass sich die Amerikaner um Contenance bemühen – sie schlagen nicht gleich den, der sie provoziert, indem er an ihre Ängste und Vorurteile rührt, sondern lassen ihn, wenn auch zähneknirschend neben sich zu – als falschen Teil der Gesellschaft zwar, aber als deren Teil. Bei der deutschen Synchronfassung, die ganz auf das Vorführen der schwulen Figur setzt, wird das nicht deutlich. Man sollte die Originalfassung mit Untertiteln schauen, um den ambivalenten Humor Sacha Baron Cohens verstehen zu können. Jörg Sundermeier
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