von Kilian Kirchgessner
»Das mit Udo Lindenberg war eine völlig unkomplizierte Sache«, sagt Sophia Oppermann. »Der hat überhaupt keine Allüren!« Vor ein paar Monaten war der Altrocker aus Hamburg bei ihr zu Gast, sie haben gemeinsam einen Auftritt organisiert – nicht für Geld, sondern für eine gute Sache. Für Oppermann ist das die tägliche Arbeit: Sie ist hauptberufliche Prominentenjägerin und bindet Lindenberg und Konsorten in ihre Kampagnen gegen Rechtsradikalismus ein. »Die Wirkung ist gewaltig«, sagt sie: »So viel Aufmerksamkeit für unsere Aktionen könnten wir anders gar nicht erzielen.«
In einem Büro in Berlin-Mitte laufen die Fäden zusammen. »Gesicht zeigen!« steht am Klingelschild, es ist der Name der groß angelegten Initiative, die vor acht Jahren vom damaligen Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye, von Paul Spiegel sel. A. und Michel Friedman gegründet worden ist. Mobil machen gegen rechte Gewalt soll der Verein, Toleranz fördern, aufklären und Kräfte bündeln. Oppermann ist die Geschäftsführerin, mit einer Handvoll Mitarbeitern organisiert sie Pressekonferenzen, Jugendaktionen und Benefizkonzerte. Ihr wichtigstes Kapital ist das Telefonbuch: Eine ganze Reihe von Nummern steht darin, für die jeder Boulevard-Reporter eine Stange Geld bezahlen würde: Von Iris Berben bis Herbert Grönemeyer sind etliche der deutschen Top-Promis darin verzeichnet.
Die Strategie von »Gesicht zeigen!« ist denkbar einfach: Wenn Prominente bei Leseabenden, Konzerten, Schulbesuchen oder auch nur bei Pressekonferenzen dabei sind, ist die öffentliche Aufmerksamkeit ungleich höher als ohne namhafte Schützenhilfe. »Unsere Botschaft«, sagt Oppermann, »können wir so viel wirkungsvoller verbreiten. Die Medienaufmerksamkeit ist nun einmal die Voraussetzung für den Erfolg einer Kampagne.« Die Hallen und Säle sind voll, weil die Prominenten ihre Fans anlocken – und das ist eine gute Plattform für den Kampf gegen Rechtsextremismus.
Das Engagement ist nicht selbstlos: Die Prominenten können sich mit ihrem Einsatz gegen Neonazis in die Schlagzeilen bringen, die öffentliche Aufmerksamkeit ist für sie häufig bares Geld wert. Große Werbeagenturen unterhalten eigene Büros, in denen sie sich um die Vermarktung von Schauspielern, Sängern und anderen Berühmtheiten kümmern; Künstleragenturen haben ebenfalls ein Interesse daran, ihre Schützlinge möglichst gewinnbringend in der Öffentlichkeit zu platzieren. Die goldene Regel dabei: Wenn sich ein Prominenter engagiert, dann für eine seriöse Initiative mit gutem Namen. Je mehr seiner berühmten Kollegen vorher schon mit einem Verein kooperiert haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch er sich für die gleiche Initiative entscheidet. Viele Künstler, heißt es in der Branche, engagieren sich aber nicht nur wegen der guten Schlagzeilen, sondern weil ihnen tatsächlich die Sache am Herzen liege. Aktionen in Schulen etwa, die keine bundesweite Aufmerksamkeit versprechen, gehören zu den Projekten, bei denen Prominente ihre Teilnahme am schnellsten zusagen.
Auch andere Verbände setzen beim Kampf gegen Rechts auf Schützenhilfe von Prominenten. Außer »Gesicht zeigen!« nutzt beispielsweise die Amadeu-Antonio-Stiftung gezielt den Berühmtheitsfaktor ihrer Unterstützer. »Für unsere Aktionen geht es aber nicht allein darum, dass wir jemanden mit einem klangvollen Namen gewinnen«, sagt Oppermann. Wer unpolitisch auftritt, bringe die gute Sache nicht voran. »Dieter Bohlen etwa würde unsere jugendliche Zielgruppe sicherlich ansprechen, aber er wäre nicht unbedingt ein guter Botschafter für unser Anliegen«, sagt Oppermann. In vielen Fällen ist sie es, die sich mit der Bitte um Zusammenarbeit an einen Prominenten wendet. Einige treten auch von sich aus an die Initiative heran, um ihre Hilfe anzubieten. »Inzwischen haben wir einen Pool von Vertrauten, die wir mit konkreten Plänen immer wieder ansprechen können«, sagt Oppermann. Von Moderator Günther Jauch bis zum Boxer Henry Maske, von Sänger Marius Müller-Westernhagen bis zur früheren Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf haben Dutzende Top-Prominente bereits einzelne Aktionen unterstützt. Hinzu kommen Berühmtheiten aus der zweiten Reihe wie etwa Pamela Großer, die im Fernsehen die Kindersendung »Tigerentenclub« moderiert, oder Schauspielerin Josefine Preuß, die vor allem bei Jugendlichen beliebt ist. Damit können die Organisatoren exakt auf ihre Zielgruppe zugehen – für eine Gesprächsrunde in einer Grundschule etwa kommen andere prominente Paten infrage als für ein großes Benefizkonzert unter dem Brandenburger Tor.
»Wenn die Prominenten unser Anliegen gut finden und wir sie nicht bedrängen, dann ist die Zusammenarbeit völlig unkompliziert«, sagt Oppermann. Die wichtigste Hürde sei es, am Management vorbeizukommen. »Da gibt es Agenturen, die blocken ihre Künstler völlig ab. Die erfahren nie, dass wir Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Erst, wenn die dem Management von sich aus gesagt haben, dass sie mit uns etwas auf die Beine stellen wollen, dann ist der Kontakt zu ihnen frei.« Ihre Beobachtung: Je berühmter ein Star ist, desto weniger Allüren leistet er sich. Es seien vor allem weniger bekannte Bands, die als Erstes nach eigener Garderobe und Aufenthaltsräumen verlangen. »Manche lassen das ein bisschen raushängen.«
So klar das Marketingkalkül hinter den Promi-Aktionen ist, so umstritten sind sie unter Historikern. »In manchen Fällen wirkt es trivialisierend, wenn bei solchen Projekten das Dritte Reich thematisiert wird«, sagt etwa der Historiker Wolfgang Altgeld von der Universität Würzburg. »Bei manchen Prominenten frage ich mich: Wie kommen die zu diesem Thema? Wenn die das nur machen würden, um ihren Marktwert zu steigern, das wäre furchtbar.« Ihre größte Wirkung, vermutet Altgeld, entwickelten solche Kampagnen in den Kreisen, die der Botschaft ohnehin aufgeschlossen gegenüberstehen. »Die Gleichgültigen wird man auch mit prominenter Unterstützung nur schwer erreichen.«
Bei »Gesicht zeigen!« sieht man das anders. Eine genaue Erhebung darüber, wie viel Aufmerksamkeit die prominente Schützenhilfe tatsächlich schafft, gibt es zwar nicht – »aber dass uns das enorme Vorteile bringt, das merken wir allein schon an den vielen Nachfragen, die hier bei uns eingehen«, sagt Oppermann. Und die eigentliche Überzeugungsarbeit im Kampf gegen Neonazis sei ohnehin sehr langwierig. Die Prominenten, so das Kalkül, sollen einfach erst einmal die Türe öffnen, damit anschließend die Botschaft überhaupt wahrgenommen wird.