von Ulrich W. Sahm
Im verseuchten Wasser des Yarkonflusses im Norden von Tel Aviv haben Taucher der Polizei nach über einem Monat intensiver Suche die Leiche der vierjährigen Rose Pisam gefunden. Der Mordfall erregt die israelische Öffentlichkeit so sehr (vgl. Jüd. Allg. v. 4. September), dass Zeitungen Sonderausgaben gedruckt haben. Am Donnerstagmittag vergangener Woche, als die Taucher endlich einen bordeauxroten Reisekoffer mit Rollen aus dem Wasser zo-
gen, unterbrachen Fernsehen und Radio ihre Programme, um über die aktuelle Entwicklung im Fall Rose zu berichten.
Rose Pisam ist mutmaßlich von ihrem eigenen Großvater Roni ermordet worden. Polizeiangaben zufolge habe er ihr in seinem Auto einen starken Stoßgegeben, »weil sie nervte«. Als danach ihr Kopf »ei-
gentümlich baumelte«, habe er das Mädchen in einen Koffer gepackt und in den Yarkon geworfen. Er war Liebhaber der 23-jährigen Marie Charlotte, seiner Schwiegertochter, der Mutter der kleinen Rose. Ronis Sohn Benjamin, der Vater von Rose und Ehemann von Marie-Charlotte, lebt in Paris. Die komplizierten Familienverhältnisse hatten dazu geführt, dass »niemand das Mädchen wollte«.
Die Suche nach dem Koffer dauerte 34 Tage, obgleich er nur 500 Meter von der Stelle entfernt gefunden wurde, wo der Großvater ihn nach eigenen Angaben in den Yarkon geworfen hat. Die Polizeitaucher hatten anhand von Handygesprächen den Weg des mutmaßlichen Mörders zu-
rückverfolgt. Zeitweilig wurde überlegt, den Fluss zu stauen und dann abzupumpen, um besser das Flussbecken durchsuchen zu können, denn sein Wasser ist un-
durchsichtig und mit Industrieabfällen hochgiftig verseucht. In dem »schrecklich stinkenden« Koffer fand die Polizei einen Schädel, kleine Knochen und »weitere Ge-
genstände«, vermutlich Spielzeug des Mädchens. Ein Polizeioffizier erklärte, dass Rose möglicherweise noch lebte, als der Großvater das bewusstlose Mädchen im Koffer in den Fluss warf.
Unklar ist die Rolle der Mutter. Bei einem Polizeitermin am Strand von Tel Baruch während der Suche nach dem Koffer habe sie »eisern geschwiegen und ständig gelächelt«. Offenbar hatte die Polizei sie bewusst zu einer Stelle im Norden von Tel Aviv gebracht, wo der Koffer nicht einmal vermutet wurde, um die Frau in die Irre zu führen. Sollte auch die Mutter in den Verdacht geraten, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein oder davon gewusst zu haben, könnten ihre Rechtsanwälte dieses Lächeln als ein »Zeichen ihrer Unzurechnungsfähigkeit« benutzen. Die Mutter hatte erst kürzlich gegenüber Angehörigen und Nachbarn das Verschwinden des Kindes mit dessen Verschickung in ein Kinderheim in Frankreich erklärt.