Nur wenige jüdische Familien kamen im 17. und 18. Jahrhundert in die Fürstenresidenz Rudolstadt im Osten Thüringens. Bekannt ist die Familie Callmann aus Dessau. Es muss eine »gut betuchte« Familie gewesen sein, sagt Doreen Winker, die sich mit der jüdischen Geschichte der Stadt be-
schäftigt hat. »Andere Juden durften sich hier nicht ansiedeln. Für Rudolstadt bedeuteten die wenigen und gut situierten jüdischen Familien einen finanziellen Anreiz. Juden waren am Fürstenhof für die finanziellen Geschäfte zuständig. Die einheimische Bevölkerung stand dem jüdischen Leben teilweise offensichtlich ablehnend gegenüber. Es gab Einwände, Gesuche, man sträubte sich zum Beispiel, dass die Familie Callmann ein Geschäft wiedereröffnete; erzählt Winkler.
Viele jüdische Familien zogen im 19. Jahrhundert weg. Aktives jüdisches Leben gibt es bis heute nicht in Rudolstadt. Dafür ist derzeit auf der Heidecksburg einer der wertvollsten noch erhaltenen synagogalen Textilbestände zu sehen. Für Museumsdirektor Lutz Unbehaun ist es eine unglaubliche Rarität. »Hier ist zu 90 Prozent der Bestand des Synagogenraumes erhalten.« Toramäntel gehören dazu, ebenso Torawimpel. »Die es insgesamt, so wie wir sie haben, nur noch dreimal gibt: in New York, in Israel und eben in Rudolstadt«, erklärt Lutz Unbehaun stolz.
Die langen Bänder wurden einst mit Holzmodeln bedruckt. Zum einen sind Verzierungen erkennbar, zum anderen konkrete Daten, wie der Name des Kindes, das beschnitten wurde, Segenssprüche, der Name des Vaters und das Geburtsdatum. Die Bänder wurden aus einem Leinentuch zusammengenäht, in dem einst der be-
schnittene Junge lag. Bei den Übertragungen half der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Wolfgang Nossen. Zuerst habe er anhand von Fotos übersetzt. Dann hat er die Dinge selbst in Augenschein ge-
nommen und war beeindruckt.
Die liturgischen Textilien sind nun mit- hilfe vieler Fachleute wieder zu sehen. Stickereien wurden ausgebessert, Häkeleien repariert, Stoffe ersetzt und so original wie möglich die Stellen der Schäden ausgebessert. Für Lutz Unbehaun ist die Sammlung erst ein Anfang. Denn es gibt noch mehr zu entdecken. Blanka Weber
Museum Heidecksburg