»Die sprechen nicht für die Muslime!«
Lale Akgün über die Islamkonferenz und Antisemitismus unter Muslimen
Frau Akgün, der stellvertretende Vorsitzende des Islamrats, Abu Bakr Rieger, ist zurückgetreten, weil bekannt wurde, dass er sich in den neunziger Jahren antisemitisch geäußert hat (vgl. JA vom 4. Oktober). Ist das eine glaubwürdige Distanzierung vom Antisemitismus?
akgün: Nein, das reicht nicht. Der Islamrat äußert sich immer wieder antisemitisch. Diese Leute reden mit doppelter Zunge. Der Vorsitzende des Islamrats sagte, er habe erst kürzlich von Riegers Äußerungen erfahren. Dabei ist die Sache schon lange bekannt. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sollte sich noch einmal gründlich überlegen, ob er sich mit diesen Leuten an einen Tisch setzt.
Ist die Islamkonferenz, auf die Sie anspielen, zum Scheitern verurteilt?
akgün: Die Islamkonferenz ist überflüssig wie ein Kropf und völlig kontraproduktiv. Da werden Islamisten aufgewertet, die mit den normalen Muslimen in Deutschland gar nichts zu tun haben. Es dürfen Leute für den Islam sprechen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, aber die Durchschnittsmuslime schaffen es natürlich nicht an den Tisch des Ministers. Dadurch gerät der Islam in Deutschland noch mehr in Verruf.
Wie weit ist Antisemitismus unter deutschen Muslimen verbreitet?
akgün: Manche Verbände versuchen, mit Antisemitismus ein Wir-Gefühl zu schaffen. Ich glaube aber, dass der Antisemitismus unter normalen Muslimen nicht mehr verbreitet ist als in der Durchschnittsbevölkerung.
Schon im Koran gibt es judenfeindliche Passagen. Ist der Islam antisemitisch?
akgün: Aus jeder Religion kann man bestimmte Dinge herausziehen. Sicher gibt es Rattenfänger, die versuchen, ihren Antisemitismus aus dem Koran abzuleiten. Aber ich würde nicht die Mehrheit der Muslime als antisemitisch darstellen.
Dennoch haben viele den Eindruck, der Islam sei das Problem.
akgün: Man bringt durch solche Pauschalangriffe ganz viele Leute in eine Verteidigungsposition. In der islamischen Community in Köln finden Sie inzwischen auch bei denen, die gar nicht religiös sind, die Haltung: Jetzt muss die Moschee erst recht gebaut werden. Wir müssen diejenigen stärken, die für Normalität stehen. 85 Prozent der Muslime sind normale Bürger, mit ihrem Beruf, ihrer Familie, ihren Alltagssorgen.
Mit der Islambeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion sprach Ingo Way.