von Sabine Brandes
Unermüdlich strahlt der kleine Schmetterling mit den grün-roten Flügeln aus dem Bildschirm ins Wohnzimmer. Assaf, 13 Monate, ist währenddessen mehr am Gerät selbst als an den Inhalten interessiert. Mit seinen bananenverschmierten Händen patscht er auf die Mattscheibe, bis vom Schmetterling lediglich noch ein undeutlicher Schatten zu erkennen ist. Assaf ist zu Besuch bei seiner Freundin Noa. Und deren Mama hat Baby TV abonniert.
Vor zwei Jahren ging der Sender in Israel an den Start. Zielgruppe sind die Null- bis Dreijährigen. Fernsehen speziell für Windelträger. Und immer mehr Mütter und Väter schalten ein. Mittlerweile hat sich der Kanal mit mehr als 70.000 Abonnenten für die Kleinsten zu einem der erfolgreichsten Bezahlsender des Landes gemausert. Die Idee hatte Liran Talit vor etwa drei Jahren, als er seinen Sohn um zwei Uhr nachts in den Armen schaukelte und alle Beruhigungsversuche kläglich scheiterten. Der Mann mit der jahrelangen Erfahrung als Manager im TV-Geschäft zögerte nicht lange, startete einen Pilotversuch bei acht Monate alten Strampelanzugträgern und war vom Ergebnis über-
zeugt. Baby TV war geboren.
Tagsüber stehen kindgerechte Animationen zu Farben und Formen, Expeditionen ins Tierreich, Lieder sowie das Erlernen erster Worte und Ratespiele im Mit-
telpunkt. Abends gibt es Musik, begleitet von entspannenden Bildern, die den Schlaf fördern sollen. Das Programm wird überwiegend in Israel produziert, ein Teil der Sendungen stammt aus Großbritannien.
Yael Ben-Aharon hat Baby TV für sich und ihre Tochter entdeckt. Seit einem Jahr darf die zweijährige Noa täglich eine Stunde lang die Sendungen des Schmetterlings ansehen. »Noa liebt das Programm«, sagt ihre Mutter. »Wenn ich zum Fernseher gehe, sagt sie schon ›Baby, Baby‹ und jauchzt vor Freude.« Die 28jährige findet nichts dabei. Im Gegenteil: »Noa hat durch Baby TV bereits viel über Tiere und Farben gelernt.«
Gesendet wird heute in 14 europäischen Ländern plus Senegal. Jetzt hofft die israelische Talit Communications mit ihrer Tochtergesellschaft Baby Network Ltd. auf zahlungsfreudige Mamis und Papis auf dem deutschen Markt. Seit Dezember 2005 ist der Sender im Kabelnetz Baden-Württembergs empfangbar, bis zum Jahresende soll der bunte Schmetterling in ganz Deutschland umherflattern. Während in Israel viele Eltern die Einführung begrüßten, so sind die Stimmen aus Deutschland kritischer. Axel Langner, Sprecher des Bundesverbandes der Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland, meint, daß das Geld anstatt für Bezahlfernsehen besser für persönliche Betreuung angelegt werden solle. »Zuwendung durch lebendige Menschen ist durch nichts zu ersetzen.«
Die israelischen Macher jedoch sind von ihrem Konzept überzeugt. Geschäftsführer Talit: »Babys werden sowieso vor den Fernseher gesetzt. Da ist es besser, wenn sie ein Programm sehen, das ihrem Alter entspricht, und nicht irgend etwas.« Bei der Entwicklung von Baby TV arbeite man eng mit Kinderpsychologen, Pädagogen und Soziologen zusammen. »Ein Service, der 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht.« Damit wirbt die Homepage im Internet. Als Babysitter aus der Glotze sieht Baby TV sich nicht.
Der Sender argumentiert, daß sein Programm die »sichere Alternative für Eltern ist, die sich entschlossen haben, den Fernseher für ihre Sprößlinge anzuschalten«. Sinnvoller als reguläres Fernsehen mit Werbung. Denn das ist Baby TV auf jeden Fall: werbefrei. Auch ist das Programm in der Geschwindigkeit angepaßt: »Es will nicht mit schnellen, blitzartigen Bildern die Aufmerksamkeit anregen, sondern mit einem gemächlichen Ablauf das Lernen fördern«, erläutert Pressesprecherin Maya Talit. Die Sendungen dauern zwei bis zehn Minuten.
Kindergärtnerin Ronit Levy sieht in Baby TV keine echte Förderung. In Israel werde ohnehin bereits zuviel Fernsehen geschaut, ist ihre Meinung. Internationale Studien kamen zu dem Ergebnis, daß Kinder und Jugendliche im Schnitt zweieinhalb Stunden täglich vor der Flimmerkiste verbringen, während es in Deutschland um die 90 Minuten sind. Gänzlich gegen TV ist Levy indes nicht. Auch in ihrem Kindergarten wird eingeschaltet. Jeden Nachmittag genau für eine halbe Stunde. Das findet sie in Ordnung, denn »Fernsehen gehört mittlerweile zu unserer Gesellschaft wie Essen und Trinken.« Doch es müsse bewußt zugeschaut werden. Levy wählt dazu bestimmte Sendungen aus, über die die Vier- bis Fünfjährigen anschließend sprechen. »Dann wird das Gesehene verarbeitet, und lehrreiche Inhalte bleiben hängen. Nur so ist es sinnvoll.«
Doch schon Kleinkinder würden sich mit den verschiedenen Serien im Kinderprogramm bestens auskennen, weiß Levy. In vielen Familien laufe der Fernseher von morgens bis abends, praktisch als ständiger Begleiter. »Und das ist nicht gut. Schon gar nicht für Babys, die die ständige Aufmerksamkeit eines Menschen brauchen –und keine kalte Mattscheibe.«