Sigmund Freud

Die Psyche und ihr Analytiker

von Harald Loch

Die Jubiläumsliteratur zum 150. Geburtstag von Sigmund Freud füllt ganze Buchregale. Um das alles zu besprechen, müßte man ein eigenes Buch schreiben. Hier ist nur Platz, auf einige der wichtigsten Neuerscheinungen hinzuweisen.
Beginnen wir mit dem großangelegten Versuch des New Yorker Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlers Eli Zaretzky, der Freuds Jahrhundert vor allem aus amerikanischer Sicht beschreibt und dem Untertitel »Die Geschichte der Psychoanalyse« recht nahe kommt. Das Buch ist bei Zsolnay erschienen.
Wie Freud als Analytiker arbeitete, davon können wir uns erstmals anhand eines vollständigen Therapiesitzungsprotokolls ein Bild machen. Manfred Pohlen hat bei Rowohlt die Protokolle der Kontroll-analyse des Freud-Schülers Ernst Blum kommentiert herausgegeben.
Der S. Fischer Verlag, der in Deutschland das Werk Freuds betreut, hat ein preiswertes Lesebuch mit den wichtigsten Texten herausgebracht, von der Schweizer Analytikerin Cordelia Schmidt-Hellerau zusammengestellt und jeweils kurz eingeleitet. Wer sich intensiver mit der Psycho-analyse befassen will, für den gibt es die im gleichen Verlag erschienene Werkausgabe in zwei Bänden.
Neu aufgelegt wurde bei Diogenes die 1956 erstmals erschienene Biographie von Ludwig Marcuse, der Freud und »sein Bild vom Menschen« aus dem politischen Kontext erklärt und dabei den Antisemitismus der Zeit nicht zu kurz kommen läßt. Ebenfalls neu aufgelegt erscheint bei S. Fischer die wohl beste und aktuellste Freud-Biographie des amerikanischen Kulturhistorikers Peter Gay. Sie ist zugleich eine glänzend geschriebene Einführung in Freuds Lehre. Die bei Suhrkamp neu aufgelegte Biographie von Max Schur stammt aus der Feder von Freuds langjährigem Hausarzt, der ihn noch auf dem Sterbebett in London bis in den Tod begleitete.
Freuds Leben in Bildern und aus seinen Texten beschreibt eine behutsam aktualisierte Neuauflage der Bildbiographie, die vor 30 Jahren erstmals erschien. Sie ist vom jüngsten Freud-Sohn Ernst und dessen Frau Lucie sowie der Freud-Spezialistin Ilse Gubrich-Simitis bei Suhrkamp herausgegeben worden und ist so etwas wie eine von Freud nie geschriebe Autobiographie: Etwa 300 Fotos und Bilddokumente stehen neben Originaltexten aus Werken und Briefen.
Inzwischen erstreckt sich das biographische Interesse auch auf Freuds Angehörige. Die bei Kiepenheuer& Witsch erstmals erschienene Familienbiographie von Eva Weisweiler Die Freuds rückt den Patriarchen Freud in den Mittelpunkt und kreidet ihm vor allem den Umgang mit seiner jüngsten Tochter Anna an. Ihr hatte der Vater eine wissenschaftliche Ausbildung verwehrt. Der jetzt bei S. Fischer erstmals vollständig vorliegende über 34 Jahre geführte Briefwechsel zwischen Anna und Sigmund Freud läßt aber auch die Entwicklung des Vaters vom Patriarchen zu einem ihr Partnerschaft gewährenden Kollegen erkennen. Andere Familienmitglieder haben sich mit Erinnerungen zu Wort gemeldet: Die Schwester Sigmunds, Anna Freud-Bernays mit Eine Wienerin in New York, und seine Nichte Lilly Freud-Marlé mit Mein Onkel Sigmund Freud, beide erschienen bei Aufbau.
Hans-Martin Lohmann, lange Jahre Chefredakteur der Zeitschrift Psyche, hat bei Piper einen Freud für die Westentasche herausgebracht. Auf knappem Raum skizziert er das Revolutionäre an Freuds Denkungsart und zeigt ihn als Pionier einer neuen Wissenschaft. Das schmale Buch geht auf das heikle Verhältnis Freuds zu Frauen ebenso ein wie auf die Frage, was an der Psychoanalyse »jüdisch« ist. »Mein geliebtes Deutsch« heißt ein Kapitel, das dem virtuosen Stilisten Freud und seiner Wirkung auf die Literatur gewidmet ist.
Die Bedeutung der deutschen Sprache für Freud und das Verständnis seines Werks betont auch der in Hamburg geborene und als Kind vor den Nazis nach Frankreich geflohene Georges-Arthur Goldschmidt. In Freud wartet auf das Wort bei Amman stellt er anhand von Textbeispielen die deutsche und die französische Sprache, aber auch Freuds Deutsch und die von den Nazis beschmutzte und zerstörte Sprache gegenüber.
Und schließlich gibt es »Freud zum Vergnügen«. So heißt der Untertitel des von Ludger Lütkehaus herausgegebenen Reclam-Bändchens Genug von meinen Schweinereien, eine Blütenlese aus mehreren hundert vergnüglichen Zitaten des großen Seelenforschers, der nicht nur über Humor geforscht, hat, sondern ihn auch offenkundig besaß.

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