»Ich war mit meiner Mutter und Tante und meinem Cousin auf der Post, als plötzlich die Polizei kam und uns alle auf einen Pick-up-Truck lud. Nachdem wir etwa zehn Meilen gefahren waren, hielten sie an und warfen unsere Mütter aus dem Auto. Wir klammerten uns an unsere Mütter und schrien. Aber die Polizisten trennten uns und schmissen uns zurück auf die Ladefläche. Sie drängten unsere Mütter zurück und fuhren los: Unsere Mütter rannten hinter dem Auto her. Wir schrien und weinten. Dann haben sie mich und meinen Cousin ins Gefängnis gesteckt. ... Wir waren 10 Jahre alt.«
Dies ist eines von vielen erschütternden Zitaten von Aborigines aus einem 1995 von der australischen Regierung in Auftrag gegebenen Bericht. Zwischen 1910 und 1970 sind bis zu 50.000 eingeborene Kinder unter Zwang und Gewalt ihren Eltern weggenommen, in Heime gesteckt, zur Adoption freigegeben, seelisch und körperlich misshandelt und als billige Arbeitskräfte benutzt worden. Das alles geschah nicht nur vereinzelt, sondern war Ergebnis einer kalkulierten Politik und Gesetzgebung: Ziel war es, die Aborigines aussterben zu lassen und die Mischlinge mit der weißen Bevölkerung zu mischen Die sogenannte Gestohlene Generation und ihre Familien haben unermessliches Leid erfahren.
Am vergangenen Mittwoch, elf Jahre nach dem Erscheinen des Berichts, hat sich Kevin Rudd, der neue australische Premierminister, im Namen der Regierung und des Parlaments bei den Aborigines entschuldigt. Tausende von Menschen versammelten sich im ganzen Land: Vor dem Parlament in Canberra, vor großen Bildschirmen in Melbourne und Sydney, in Parks und in Schulen. »Für die Schmerzen, das Leiden und die Kränkungen dieser gestohlenen Generation, ihrer Nachkommen und Familien sagen wir: ›Sorry‹.« Die Menschen jubelten, applaudierten, viele hatten Tränen in den Augen: Da war es – dieses kleine Wort, auf das so viele gewartet hatten. Kevin Rudd sagte es noch insgesamt fünfmal.
»Die Entschuldigung ist ein sehr wichtiger Schritt in der Geschichte Australiens, sie findet nachhaltigen Widerhall in unserer jüdischen Gemeinde«, sagt Vic Alhadeff, Geschäftsführer des New South Wales Jewish Board of Deputies. Es gebe eine Reihe von jüdischen Initiativen und Persönlichkeiten, die sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Aborigines einsetzen.
Maria, eine Schoaüberlebende aus Polen, die seit rund 60 Jahren in Australien lebt, erinnert sich: »Ich fand es schockierend, dass wir Emigranten sofort alle gesetzlich garantierten Sozialleistungen bekamen, während die Aborigines keinerlei Anrecht darauf hatten. Die Entschuldigung war überfällig!« Maria kaufte 13 Gartenpflänzchen für ihre Schwiegertochter Karin. »Weil dieser 13. Februar ein Glückstag ist und Karin immer an diesen Tag denken soll.«
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